Jürgen Mersch, Jahrgang 1959, ist nach Stationen im Bäckerhandwerk, bei der Bundeswehr und als Kraftfahrer schon seit 1986 freigestellter Betriebsrat. Seit Anfang der 90er Jahre ist er Betriebsratsvorsitzender und seit 1995 Gesamtbetriebsratsvorsitzender in der Logistikbranche. Sein gewerkschaftliches Engagement für den Arbeits- und Gesundheitsschutz führte ihn fast zwangsläufig in die Arbeit als Selbstverwalter. Hier im Vorstand der Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Postlogistik und Telekommunikation (kurz BG Verkehr) kann er sich gezielt vor allem für Präventionsmaßnahmen einsetzen, die Unfälle verhindern helfen.
Wie genau diese Arbeit als ehrenamtliches Mitglied in der sozialen Selbstverwaltung aussieht, und wie dieses Engagement mit der gewerkschaftlichen und betrieblichen Arbeit verzahnt ist, davon hat uns Jürgen Mersch im Interview berichtet.
Selbstverwaltung was ist das?
Die Berufsgenossenschaft als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung führt zwar staatliches Recht aus, es gibt aber auch innerhalb dieser Körperschaft einen Gestaltungsspielraum. Und den nutzen wir als Selbstverwalter! Wenn es also beispielsweise darum geht, welche medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen in Zukunft angeboten werden, entscheiden darüber Arbeitgeber und Arbeitnehmer*innen gemeinsam in den paritätisch besetzten Gremien.
Gewerkschafter*innen in der Selbstverwaltung vertreten die Interessen der Versicherten. Was heißt das konkret?
Das ist abhängig von der Funktion, dem Gremium und dem Feld der Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter und kann dementsprechend „konkret“ sehr unterschiedlich aussehen. Für meine Arbeit in der BG Verkehr ist ganz allgemein wichtig, den Mitgliedern alle Vorteile der gesetzlichen Berufsgenossenschaften näherzubringen. Und ihnen mit fachlicher Beratung zur Seite zu stehen.
ver.di sagt: Gewerkschaftsvertreter*innen in der Selbstverwaltung sind die idealen Versichertenvertreter. Warum?
Ich sehe mich als Vermittler zwischen ver.di und der Berufsgenossenschaft. Da die Arbeitgeber, vor allem was Präventionsmaßnahmen angeht, eher die Kosten im Blick haben, setzen wir uns als Gewerkschafter für die langfristigen Vorteile von Prävention, für den Schutz der Beschäftigten ein. Und da wir aus der betrieblichen Arbeit genau wissen, welche Probleme die Beschäftigten immer wieder ereilen, sind wir sicherlich sehr gut als Interessenvertreter geeignet.
Viele Versicherte sagen uns: Ich weiß gar nicht, was meine Selbstverwalter für mich machen. Wie und wo können sie von Deiner Arbeit erfahren?
Die Website der BG Verkehr (https://www.bg-verkehr.de/die-bg-verkehr/selbstverwaltung) gibt einen guten Einblick über die Struktur der Selbstverwaltung in der Berufsgenossenschaft. Über die konkreten Fälle wird in den Betriebsversammlungen berichtet.
ver.di hat in den letzten Monaten mehrere Cartoon-Filme zur Selbstverwaltung und zur Sozialwahl gemacht, die auf verdi.tv und auf der Seite www.arbeitsmarkt-und-sozialpolitik.verdi.de zu finden sind. Welches Bild in unseren Clips mit Viola, der Versichertenältesten, gefällt Dir am besten?
Mir gefällt keine einzelne Szene besonders, aber ich empfehle den Film „Viola zu Besuch im Saarland“, weil hier sehr verständlich darstellt wird, was Selbstverwaltung ist: die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen in der Sozialversicherung!
Du bist in der Selbstverwaltung der BG Verkehr im Vorstand und in verschiedenen Ausschüssen aktiv. Was war in dieser Aufgabe die spannendste Erfahrung?
In der Arbeit im Vorstand kann ich Einfluss auf den Haushalt der BG nehmen. Im Präventionsfachausschuss Straßenverkehr, dem ich vorstehe, geht es dann darum, wofür die Gelder konkret eingesetzt werden. Die Herausforderungen liegen für unsere Branche vor allem darin, Unfälle zu vermeiden. Wie können wir etwa Abbiegeunfällen oder Verkehrsunfällen durch zu geringes Abstand halten mit elektronischen und automatisierten Verfahren entgegenwirken? Wie begegnen wir der Gefahr, die sich durch die Ablenkung durch elektronische Geräte im Fahrerhaus ergeben? Für diese Fragen, die rund um das Fahren 4.0 gruppiert sind, setzen wir uns ein. Insgesamt kann man resümieren, dass diese präventiven Fragestellungen nur deshalb so intensiv behandelt werden, weil der Druck durch die Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitnehmer konstant sehr hoch ist.
Seit 2011 veranstaltet ver.di alljährlich im Mai den Tag der Selbstverwaltung. Dein persönliches Motto für den nächsten Tag der Selbstverwaltung?
Die Selbstverwaltung ist ein hohes Gut aus „alten Zeiten“, die hoffentlich noch lange erhalten bleibt.
[1.6.2017]