Pia Müller

14.06.2016

Pia Müller, Jahrgang 1959, war nach einem Studium der Sozialwissenschaften zunächst als Referatsleiterin im öffentlichen Dienst tätig. Sie wurde dann Gewerkschaftssekretärin bei der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), die in ver.di aufging. Heute ist Pia Müller für ver.di als Gewerkschaftssekretärin im Landesbezirk Rheinland-Pfalz-Saarland zuständig für Frauen- und Gleichstellungspolitik sowie für die Zivilbeschäftigten bei den ausländischen Streitkräften. „Unsere Forderung Frauen in der Selbstverwaltung entsprechend ihrem Anteil in ver.di zu repräsentieren, führte für mich in Konsequenz dazu, selbst eine Funktion zu übernehmen“, berichtet  Pia Müller in unserem Gespräch. Seit 2007 ist sie Versichertenberaterin für die Deutsche Rentenversicherung Bund.

Was diese Arbeit ausmacht, warum sich mehr Frauen zutrauen sollten, dieses Ehrenamt zu übernehmen und welches „Rundumpaket“ Pia Müller als Gewerkschafterin anzubieten hat, all das steckt in den Antworten unseres Fragebogens.

 

 

Selbstverwaltung was ist das?

Selbstverwaltung ist ein wichtiges Stück Demokratie. Menschen können mitentscheiden und mitgestalten, wie die von ihnen eingezahlten Beiträge in dem jeweiligen Sozialversicherungsträger verwendet werden. Sie können Wissen und Erfahrungen erwerben, die sie anderen Versicherten zugutekommen lassen. Selbstverwalterinnen können innerhalb einer Institution auf Missstände aufmerksam machen und sich für den Erhalt von Leistungen an Versicherte einsetzen.

Gewerkschafter*innen in der Selbstverwaltung vertreten die Interessen der Versicherten. Was heißt das konkret?

Als Versichertenberaterin der Deutschen Rentenversicherung unterstütze ich Menschen dabei, Rentenanträge zu stellen. Die meisten Menschen fangen erst sehr spät an, sich mit dem Thema Rente zu beschäftigen. Und bei vielen Fragen in den Antragsformularen ist den Versicherten nicht klar, was die Rentenversicherung eigentlich von ihnen will. In gewisser Weise bin ich dann die Übersetzerin. Durch die Schulungen, die die Rentenversicherung den Versichertenberater*innen gewährt, habe ich das nötige Hintergrundwissen. Wenn der Antrag dann ausgefüllt ist, alle Unterlagen vorliegen und alles in einen Umschlag gesteckt werden kann, fällt den meisten ein riesiger Stein vom Herzen. Manchmal packen die Leute dann eine Schachtel Pralinen oder eine Flasche Wein aus, um sich zu bedanken.

ver.di sagt: Gewerkschaftsvertreter*innen in der Selbstverwaltung sind die idealen Versichertenvertreter. Warum?

Wenn es um das Thema Rente geht, hängen damit häufig Fragen zusammen, die das Arbeitsverhältnis betreffen. Als Gewerkschaftsvertreterin kann ich auf arbeitsrechtliche Zusammenhänge eingehen. Die Mitglieder erhalten sozusagen ein „Rundumpaket“. Wir unterstützen unsere Mitglieder nicht nur beim Rentenantrag, sondern gewähren auch Rechtsschutz, wenn der Antrag abgelehnt wird. Wir beraten in Fragen der betrieblichen Altersversorgung. Und wir geben Rechtsschutz, wenn der Arbeitgeber Probleme macht. Ebenso wichtig: Wir mischen uns in die politischen Diskussionen über die Sozialversicherung ein. Was Einzelnen widerfährt, kann zu einem politischen Thema werden, das grundsätzlich bearbeitet wird.

 

Viele Versicherte sagen uns: Ich weiß gar nicht, was meine Selbstverwalter für mich machen. Wie und wo können sie von Deiner Arbeit erfahren?

Es ist die Aufgabe von ver.di, die Arbeit der SelbstverwalterInnen bekannt und auch transparent zu machen. Die Internetseite der Abteilung Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Als Versichertenberaterin erleben die Menschen sehr direkt, wenn sie zu mir kommen, was ich für sie tun kann. Einmal im Jahr biete ich ein Wochenendseminar für Kolleg*innen an. Am Ende können alle ihre Rentenauskunft lesen und verstehen. Ich habe auch Anfragen von Gleichstellungsbeauftragten und Betriebs- und Personalrätinnen, die sich entweder selbst informieren wollen oder das Thema Rente in einer betrieblichen Veranstaltung aufgreifen.

ver.di hat einen kleinen Cartoon-Film gemacht, um über die Aufgaben in der Sozialversicherung zu informieren. Welches Bild in unserem Viola-Clip gefällt Dir am besten?

Ich bin immer ganz erschüttert, wenn ich an einem Seminar der Rentenversicherung teilnehme und in der Runde fast ausschließlich ältere und alte Männer sitzen. In meinem ver.di Landesbezirk setze ich mich dafür ein, dass im Vorfeld der Sozialwahlen Frauen angesprochen werden, damit sich das ändert. Der Clip ist ganz hervorragend geeignet, Frauen und insgesamt jüngere Menschen für eine solche Funktion zu gewinnen. Die meisten Menschen mögen Zeichentrickfilme, wichtiges Wissen wird quasi spielerisch vermittelt. Außerdem ist Viola ziemlich cool, wie sie ganz selbstverständlich und souverän über ihre Arbeit berichtet. Ich selbst habe vor einigen Jahren als Versichertenberaterin kandidiert, damit der Anteil der Frauen zunimmt. Und ich möchte jede Frau ermutigen, sich das auch zuzutrauen. Es ist toll, andere Menschen ganz konkret unterstützen zu können. Jede und jeder entwickelt in so einer Funktion dann einen eigenen Stil. Mir ist beispielsweise wichtig, dass die Versicherten ihre Formulare erst einmal selbst ausfüllen, soweit sie das eben können. Auf diese Weise werden die Betroffenen zu Beteiligten. Sie bekommen einen Eindruck davon, welche Daten erforderlich sind, sie denken über ihre Situation nach, sie entwickeln Fragen und sind dann auch am Erfolg beteiligt, wenn der Rentenantrag ohne Probleme durchgeht.

Du bist in der Selbstverwaltung der Deutschen Rentenversicherung  als Versichertenberaterin aktiv. Was war in dieser Aufgabe die spannendste Erfahrung?

Zu mir kommen auch viele ausländische Kolleg*innen, Menschen die kaum deutsch sprechen und die Formulare nicht lesen können. Häufig werden sie von ihren Töchtern und Söhnen begleitet, die dann die Übersetzung übernehmen. Vor allem die Frauen haben oft jahrelang in sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet und haben nur geringfügige Rentenansprüche. „Ein ganzes Leben gearbeitet! Und nur so wenig Rente?“ Ich mache sie dann auf die Möglichkeit der Grundsicherung aufmerksam. Aber das wollen sie nicht, auf keinen Fall Sozialhilfe oder Hartz IV! Das geht gegen ihre Ehre, gegen den Stolz.

Seit 2011 veranstaltet ver.di alljährlich im Mai den Tag der Selbstverwaltung. Dein persönliches Motto für den Tag der Selbstverwaltung 2016?

Mehr Frauen in die Selbstverwaltung – das tut der Selbstverwaltung und den Frauen gut!

[17.5.2017]