Sabine Heegner

09.08.2016

Sabine Heegner, Jahrgang 1959, war seit Beginn ihrer beruflichen Laufbahn in der Gewerkschaft, zunächst in der DGB Jugend aktiv. Sie ist Diplom-Sozialwissenschaftlerin und seit 1985 in der Arbeitsgestaltung tätig. Sabine Heegner ist als Fachkraft für Arbeitssicherheit ausgebildet, hat in der öffentlichen Verwaltung gearbeitet und ist heute als Systemische Organisationsberaterin und Mediatorin selbstständig. Sinnvolle Arbeit zu machen, war ihr immer wichtig: Beratung für gute Arbeit, gute Arbeitsbedingungen, gute Arbeitsfähigkeit. Deswegen arbeitet sie auch ehrenamtlich in verschiedenen Berufsgenossenschaften und Arbeitsgruppen der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) mit. Sabine Heegner ist für ver.di als Selbstverwalterin bei der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), dem größten Träger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland, in der Vertreterversammlung und beim KUVB, dem bayerischen kommunalen Unfallversicherungsträger, als Ersatzfrau im Vorstand aktiv. Sie arbeitet zudem bei der DGUV im Präventionsausschuss und im  Arbeitsstättenausschuss mit.

Was ihre Arbeit in den verschiedenen Gremien ausmacht und warum sie ihr engagiertes beruflich-ehrenamtliches Leben als sinnvoll empfindet, davon hat sie uns im Gespräch berichtet.

 

Selbstverwaltung was ist das?

Selbstverwaltung ist die gemeinsame sozialpartnerschaftliche Leitung der Einrichtungen der Sozialversicherung, die seitens der Sozialpartner durch Beiträge getragen werden. Ich selber arbeite in der Unfallversicherung mit - da ist es so, dass allein die Arbeitgeber einzahlen, wir Versicherten aber paritätische Mitsprache haben, weil es schließlich um unsere Schicksale geht. Da sind wir als Korrektiv sehr wichtig: in der Selbstverwaltung geht es darum, Sicherheit und Gesundheitsschutz durch zielsichere hochwertige Präventionsarbeit oder, wenn doch etwas passiert ist, eine umfassende Rehabilitation oder sichere Rentenzahlungen zu gewährleisten.
Da geht es konkret um Aushandlungsprozesse: Einige Arbeitgeber haben ein gutes Verständnis dafür, wie wichtig Prävention ist, anderen müssen wir da noch einiges erklären ... Die Interessen der Beschäftigten, die in diesem Zusammenhang ja Versicherte heißen, bekommen ihre Stimme durch unsere Mitarbeit, denn wir vertreten ihre Interessen!
Selbstverwaltung ist also auch ein „Übungsfeld“ für den Umgang der Sozialpartner miteinander und mit spezifischen Sachfragen.

Gewerkschafter*innen in der Selbstverwaltung vertreten die Interessen der Versicherten. Was heißt das konkret?

Wir achten darauf, dass die Gesetze und Vorschriften, die im Arbeitsschutz gut für die Beschäftigten (also die Versicherten) sind, eingehalten werden. Wir achten auch darauf und arbeiten auch daran mit, dass die gesetzlichen Unfallversicherungen gute Hilfsmittel erstellen, die leicht verständlich sind. In den Veröffentlichungen der Unfallversicherung finden sich daher viele praktische Hinweise und Erläuterungen zum geltenden Arbeitsschutzrecht. Genauso wichtig ist es uns, dass Schulungen von Aktiven im Arbeitsschutz stattfinden, also spezifisches Wissen gut verbreitet wird. Somit ist es in der Praxis, im Betrieb dann leichter, die theoretischen „Errungenschaften“ umzusetzen. Für die Belange der einzelnen Versicherten achten wir auch im Einzelfall darauf, dass ihre Interessen beachtet werden, zum Beispiel in den Renten- oder Widerspruchsausschüssen. Dabei sollten wir noch besser werden, finde ich: Manchmal sind es so viele Fälle pro Sitzung, dass man gar nicht gut prüfen kann.

ver.di sagt: Gewerkschaftsvertreter*innen in der Selbstverwaltung sind die idealen Versichertenvertreter. Warum?

Wir Gewerkschafter*innen haben einen betrieblichen, politischen und organisatorischen Hintergrund. Wenn wir Fragen haben, können wir sie mit anderen bereden, auch mal etwas rechtlich prüfen lassen und vor allem können wir auf die Basis der Gewerkschaften zurückgreifen, wenn etwas diskutiert oder bekannt gemacht werden soll. Damit haben wir eine Multiplikatorenfunktion und können viel mehr beachten, als einfach unsere eigene Meinung.

Ich habe schon als Schülerin mit meinem gewerkschaftlichen Engagement begonnen, seit 1972 mit den Lehrlingsstreiks. Bei meiner ersten Arbeitsstelle habe ich mich und meine Kolleg*innen sehr machtlos harten Arbeitsbedingungen ausgesetzt gefühlt. Darum habe ich auf dem Zweiten Bildungsweg Abitur gemacht und ein Studium begonnen, in dem ich mich thematisch um Technologieberatung für Betriebsräte gekümmert habe. Mir ging es immer darum, mit meiner Arbeit gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Ich habe für den Gesamtpersonalrat einer großen Stadtverwaltung zu diesen Fragen gearbeitet. Dann ging der Weg zum Arbeitsschutz und zur Betriebsräteberatung und -bildung weiter. So gingen gewerkschaftliche Arbeit in der betrieblichen Interessenvertretung und in der Selbstverwaltung Hand in Hand – für mich persönlich ein großer Gewinn.

 

Viele Versicherte sagen uns: Ich weiß gar nicht, was meine Selbstverwalter für mich machen. Wie und wo können sie von Deiner Arbeit erfahren?

Das Ressort Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, das im ver.di-Bundesvorstand auch für die Selbstverwaltung und die Sozialwahlen zuständig ist, macht gute Öffentlichkeitsarbeit: regelmäßig kommen hier Broschüren und Flugblätter zu Fachthemen auf „den Markt“, es gibt dort diese schöne Serie „SelbstverwalterInnen im Porträt“ und auch auf Twitter ist das Ressort aktiv. Über meine Arbeit in der sozialen Selbstverwaltung schreibe ich auf meiner Webseite (http://www.heegner.de), auf Twitter (https://twitter.com/sheegna) und Facebook und in Arbeitsschutz-Zeitschriften. Und persönlich informiere ich Interessierte in den Seminaren und Beratungen, die ich über die gewerkschaftlichen Bildungswerke anbiete.

ver.di hat einen kleinen Cartoon-Film gemacht, um über die Aufgaben in der Sozialversicherung zu informieren. Welches Bild in unserem Viola-Clip gefällt Dir am besten?

Mir gefällt besonders gut, dass die Geschichte der Selbstverwaltung anschaulich dargestellt wird und ihre Arbeitsweise. Die etwas angegraute Sprache des Selbstverwaltungsrechts („Versichertenälteste“) wird nett mit bunten Bildern kontrastiert.

Am schönsten finde ich die Szene, in der Viola erst ganz viele Beschwerden ins Ohr hineingehen und sie danach den anderen davon erzählt! So werden Einzelschicksale zu „politischen“ Themen. Ich finde auch, da lassen wir uns nichts aus der Hand nehmen!

Du bist in der Selbstverwaltung im Präventionsausschuss der DGUV, aber auch in anderen Gremien aktiv. Was war in diesen Aufgaben die spannendste Erfahrung?

Ja, ich habe mehrere Selbstverwalter-Aufgaben: ich bin bei der VBG in der Vertreterversammlung und bei dem bayerischen kommunalen Unfallversicherungsträger KUVB als Ersatz im Vorstand aktiv. Beim Dachverband DGUV arbeite ich im Präventionsausschuss und bei einigen Fachthemen mit. (Außerdem arbeite ich im Arbeitsstättenausschuss mit). Ich setze also einiges an Zeit für dieses Ehrenamt ein, weil ich es wichtig finde, dass meine branchenübergreifende Praxiserfahrung aus der Arbeitsschutzberatung einfließen kann. Außerdem, das ist ein sehr schöner Nebeneffekt, bleibe ich so auch gut informiert.

Am meisten beeindruckt hat mich, als die erste Branchenregel zu Abfallwirtschaft in Kraft treten sollte, dass viele Betriebsräte und Führungskräfte von der Vorgabe, möglichst wenig Rückwärtsfahrten zu haben, so umgetrieben wurden, dass mein Telefon heiß- und mein Briefkasten überlief. Das war ein wirklicher Praxis-Check!

Ganz generell finde ich es interessant zu sehen, wie Arrangements mit den Arbeitgebervertretern erzielt werden können, an welchen Stellen es Scharmützel gibt und bei welchen Themen wir uns absolut nicht verständigen können.

Seit 2011 veranstaltet ver.di alljährlich im Mai den Tag der Selbstverwaltung. Dein persönliches Motto für den Tag der Selbstverwaltung 2016?

Selbstverwaltung – unbeschreiblich weiblich. :-D

[9.8.2016]