Stefanie Lohnes

10.11.2015

Stefanie Lohnes, Jahrgang 1973, ist Diplom-Sozialpädagogin und seit dem Ende ihrer Studienzeit gewerkschaftlich organisiert. Nach ein paar Jahren Berufserfahrung in der Behindertenarbeit wechselte sie in die Sozialberatung einer Reha-Klinik in Bad Homburg. Hier ist sie mittlerweile freigestellte Betriebsratsvorsitzende. Das Sozialrecht und die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen waren und sind nicht nur ihr tägliches Brot, sie bleiben auch eine Herzensangelegenheit. Den Sachverstand, den sie für eine gute sozialrechtliche Einschätzung und Mitbestimmung als Mitglied in der Vertreterversammlung und im Rechnungs- und Widerspruchsausschuss der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) braucht, brachte sie mit, als sie 2011 auch in der sozialen Selbstverwaltung aktiv wurde, die Neugierde und Ausdauer für den jeweiligen Einzelfall ebenfalls.

Wie viel ihr an der konkreten sozialpolitischen Arbeit, die ihre spannende Arbeit in der Selbstverwaltung der gesetzlichen Unfallversicherung ausmacht, liegt, hört man auch aus der Beantwortung unseres Fragebogens heraus:

 

Selbstverwaltung was ist das? Deine Antwort in 140 Zeichen.

Alle Entscheidungen werden gemeinsam und auf Augenhöhe von gewählten VertreterInnen der Versicherten und der Arbeitgeber getroffen und nicht von einer Geschäftsleitung allein. Das gilt sowohl für die Entscheidungen im Einzelfall als auch für Entscheidungen, die alle Versicherten betreffen, bei der Umsetzung von Gesetzen und Verordnungen.

GewerkschafterInnen in der Selbstverwaltung vertreten die Interessen der Versicherten. Was heißt das konkret?

Wir haben in der Selbstverwaltung der Unfallversicherungen und Berufsgenossenschaften die Möglichkeit uns aktiv bei den Themen Prävention und Arbeitsschutz einzubringen. Hierbei verfolgen wir natürlich das Ziel, dass die Berufsgenossenschaft im Rahmen ihrer Möglichkeiten dazu beiträgt, in den bei ihr versicherten Betrieben für Arbeitsbedingungen zu sorgen, unter denen die Beschäftigten gesund bleiben und bis zum Erreichen der Rente arbeiten können. Wenn dann trotzdem etwas passiert, vertreten wir die Interessen der Versicherten im Einzelfall in den Renten- und Widerspruchsausschüssen. Dort wird konkret über mögliche Ansprüche gegenüber der BGW beraten und entschieden. Das reicht von der Frage, ob ein Unfall als Arbeitsunfall anerkannt wird oder eine Erkrankung eine Berufserkrankung ist, bis hin zu finanziellen Ansprüchen, etwa Verletztengeld, Rente oder unfallbedingte Umbaumaßnahmen im häuslichen Bereich.

 

ver.di sagt: GewerkschaftsvertreterInnen in der Selbstverwaltung sind die idealen Versichertenvertreter. Warum?

Wir kommen direkt aus der Praxis und kennen den beruflichen Alltag – aus eigener Erfahrung oder aus den Erzählungen von Kolleginnen und Kollegen. Diese Erfahrungen können wir dann in die Gremien der BGW tragen. Hieraus ergibt sich dann konkret unser Arbeitsauftrag: Was ist wichtig? Worum müssen wir uns kümmern? Auch für die Arbeit in den Renten- und Widerspruchsausschüssen ist die konkrete Erfahrung aus den Betrieben unentbehrlich. Ganz oft geht es dort um Fragen wie: Kann das so gewesen sein? Was müssen wir vielleicht noch nachfragen oder klären? Hier wissen doch vor allem wir, die wir selbst vor Ort arbeiten, wie die Bedingungen sind. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass die Versichertenvertreter/innen selbst „normale“ ArbeitnehmerInnen sind. So leisten wir aus unserer eigenen Erfahrung und mit gesundem Menschenverstand neben den sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen einen zentralen Beitrag zur Entscheidung über Leistungen im Einzelfall.

Viele Versicherte sagen uns: Ich weiß gar nicht, was meine Selbstverwalter für mich machen. Wie und wo können sie von Deiner Arbeit erfahren?

Mir war es immer wichtig, auch im Betrieb und mit Freunden und Bekannten über meine Arbeit zu sprechen. Ich habe aber immer wieder festgestellt, dass es ganz schwierig ist, „das Konstrukt Selbstverwaltung“ zu erklären. Für mich ist es nicht nur wichtig, dass die Entscheidungen über Leistungen für die Versicherten nachvollziehbar und transparent sind, sondern auch, dass die soziale Selbstverwaltung und der politische Gehalt dieser Arbeit nachvollziehbar werden. Die Vertreterversammlung habe ich dann immer mit dem Aufsichtsrat in einem Unternehmen verglichen, darunter können sich die meisten dann eher etwas vorstellen. Eine gute Broschüre zum Thema ist unter dem Titel „Gelebte Demokratie in der Sozialversicherung“ bei der BGW erschienen. https://www.bgw-online.de/DE/Medien-Service/Medien-Center/Medientypen/bgw-info/SX-SV10A-Gelebte-Demokratie.html

Vor der Aufstellung der Listen für die Sozialwahlen 2017 gehen wir Selbstverwalter/innen auch in die ver.di-Gremien und berichten dort über unsere Arbeit, um KandidatInnen für die nächsten Wahlen zu gewinnen. Das hat mir bisher viel Spaß gemacht und die KollegInnen haben spannende Fragen gestellt, die ich auch nicht immer ad hoc beantworten konnte, sondern selbst noch mal nachfragen musste. So habe ich auch hier wieder viel dazu gelernt.

ver.di hat einen kleinen Cartoon-Film gemacht, um über die Aufgaben in der Sozialversicherung zu informieren. Welches Bild in unserem Viola-Clip gefällt Dir am besten?

Die Kollegin Viola stellt fest, dass in der Selbstverwaltung „keine jungen Leute“ sitzen. Das erlebe ich auch in der BGW. Ich selbst bin mit etwas über 40 (!) eine der jüngsten Mitglieder der Selbstverwaltung der BGW. Viola hat völlig recht damit, dass wir daran arbeiten müssen. Wir brauchen mehr junge Leute, vor allem junge Frauen, die wir für diese wichtige Arbeit begeistern können.

Du bist in der Selbstverwaltung der BGW in der Vertreterversammlung, im Rechnungsprüfungsausschuss und im Widerspruchsausschuss aktiv. Seit wann hast Du diese Aufgaben und was war in dieser Zeit die spannendste Herausforderung?

Ich bin seit 2011 in der Selbstverwaltung der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege. Die BGW ist die gesetzliche Unfallversicherung für nicht staatliche Einrichtungen im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege. Meinen ersten Widerspruchsausschuss werde ich nie vergessen. Ich war schon aufgeregt, als das Paket mit den vielen Unterlagen und Gutachten im Briefkasten lag. Dann sitzt man da das erste Mal und muss gleich mit über Leistungsansprüche entscheiden. Das fand und finde ich auch heute immer wieder spannend. Besonders gut gefällt mir, dass wir alles genau erklärt bekommen, die Verwaltung nimmt uns und unsere Fragen immer ernst und wir werden für die Tätigkeit in den Ausschüssen regelmäßig geschult. So bleibt zwar jeder Fall eine Herausforderung, man hat aber auch das Gefühl, gute Entscheidungen im Sinne der Versicherten und der Sache treffen zu können. Wir VersichertenvertreterInnen tauschen uns auch über die Arbeit in den Ausschüssen aus und lernen voneinander.

Seit 2011 veranstaltet ver.di alljährlich im Mai den Tag der Selbstverwaltung. Dein persönliches Motto für den Tag der Selbstverwaltung 2016?

Sozialwahlen 2017 – unser Ziel für die Selbstverwaltung: Wir werden jünger, wir werden weiblicher!

[29.2.2016]