Helmfried Hauch, Jahrgang 1954, ist gelernter Industriekaufmann und wollte eigentlich Sozialarbeit studieren, als er Mitte der 70er Jahre nach Berlin kam. Bis das Studium losging, suchte er einen Job. Er fand ihn bei den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (BSR) und blieb dort 39 Jahre. In der gewerkschaftlichen Jugendvertretung sozialisiert setzte Hauch sein gewerkschaftliches Engagement in all den Jahren fort: Nach verschiedenen Funktionen in der Arbeitnehmerinteressensvertretung wurde er 1988 Gesamtschwerbehindertenvertreter der BSR. Auch im Ruhestand berät und schult Helmfried Hauch Kolleginnen und Kollegen. Immer mit dem Ziel, die Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitnehmer*innen mit gesundheitlichen Einschränkungen zu erhalten. Aufgrund seiner Expertise rund um die Themen Disability Management, Teilhabe und Arbeitsschutz ist sein Engagement in der sozialen Selbstverwaltung ein besonderer Gewinn. Er ist Versichertenberater der Deutschen Rentenversicherung Bund, Vorstandsmitglied der Unfallkasse Berlin und alternierender Vorsitzender des Landesbeirates des Landesverbandes Nordost der DGUV, dem Spitzenverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. In all diesen Gremien geht es ihm darum, gewerkschaftliche Ideen einzubringen und die Strukturen zum Wohle der Beschäftigten zu gestalten.
Selbstverwaltung was ist das? Deine Antwort in 140 Zeichen.
Selbstverwaltung – die geniale Idee, die Interessen der Kolleginnen und Kollegen in den Berufsgenossenschaften, Krankenkassen, Rentenversicherungen und Arbeitsverwaltungen offensiv zu vertreten.
GewerkschafterInnen in der Selbstverwaltung vertreten die Interessen der Versicherten. Was heißt das konkret?
Da Gewerkschafter*innen das Ohr bei den Kolleginnen und Kollegen haben, können sie Beschwerden, Tipps und Hinweise aufnehmen und in die Gremien der Selbstverwaltung einbringen, um dort eventuelle Mehrheiten für notwendige Veränderungen zu schaffen. Beispielsweise sind Bescheide viel zu oft so verfasst, dass sie für den Versicherten schlicht unverständlich bleiben. Deshalb sehe ich es als eine meiner Aufgaben, gezielt darauf hinzuwirken, dass Bescheide verständlich formuliert werden. Des Weiteren ist das Verwaltungshandeln (Hauptamt) durch die Selbstverwaltung kritisch zu überprüfen. Wir haben die Verantwortung, Mängel aufzudecken und Dinge, die schlecht laufen, zu verändern.
ver.di sagt: GewerkschaftsvertreterInnen in der Selbstverwaltung sind die idealen Versichertenvertreter. Warum?
Neben der gerade schon beschriebenen Nähe zu den Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben sind Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter nach meiner Erfahrung besonders gut geschult.
Viele Versicherte sagen uns: Ich weiß gar nicht, was meine Selbstverwalter für mich machen. Wie und wo können sie von Deiner Arbeit erfahren?
In fast jedem Gespräch z. B. im Bereich der Rentenversicherung, weise ich die „Ratsuchenden“ auf die Thematik Sozialwahlen und Selbstverwaltung hin, nicht zuletzt auch darauf, wie wichtig diese ehrenamtliche Arbeit ist. Das gleiche gilt auch für den Betrieb, etwa bei den Vertrauensleutesitzungen und den sogenannten Infogesprächen der einzelnen Beschäftigungsbereiche. Da ich außerdem Bildungsarbeit mache (Seminare für Schwerbehindertenvertretungen und Personalräte) ist das Thema auch ein Teil der Seminararbeit. Den Videoclip „Viola“ habe ich inzwischen schon mehrmals in Seminaren eingesetzt. Wichtig sind Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen – einerseits zur Nachfolgeplanung, aber auch, um überhaupt das Interesse für das Thema Selbstverwaltung zu wecken.
ver.di hat einen kleinen Cartoon-Film gemacht, um über die Aufgaben in der Sozialversicherung zu informieren. Welches Bild in unserem Viola-Clip gefällt Dir am besten?
Gut ist, dass das Thema kurz und einfach dargestellt ist. Wie gesagt, ich zeige den Clip gerne in meiner Seminararbeit.
Die Rolle Bismarcks bei der „Geburt“ der Sozialversicherungen wird meiner Ansicht nach allerdings zu positiv gezeichnet. Letztlich ging es ihm ja darum, die Arbeiterklasse zu beruhigen und „einzulullen“.
Und die Szene, in der es um den Austausch der Handynummern mit den Arbeitgebervertretern geht, ist möglicherweise missverständlich – man könnte das als Anbiederungsversuch interpretieren. Tatsächlich geht es in der Selbstverwaltung um beides – um sozialen Ausgleich und Verständigung, aber auch um klare Kante, da wo die Arbeitgeber in eine andere Richtung marschieren als wir.
Du bist in der Selbstverwaltung der Unfallversicherung und der Rentenversicherung aktiv. Seit wann hast Du diese Aufgabe und was war in dieser Zeit die spannendste Herausforderung?
Seit 1993 bin ich in diversen Gremien der Unfallkasse Berlin (also in der gesetzlichen Unfallversicherung) und der DGUV, dem Spitzenverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, aktiv. Zudem Vorstandsmitglied der Unfallkasse Berlin und Mitglied im Rentenausschuss und Präventionsausschuss der Unfallkasse Berlin. Seit 2005 arbeite ich auch ehrenamtlich als Versichertenberater der Deutschen Rentenversicherung Bund. Das klingt für Außenstehende vielleicht nach großen Unterschieden in der konkreten Arbeit, doch in all diesen Gremien in der sozialen Selbstverwaltung geht es darum, eine gestaltende Funktion einzunehmen: Die Strukturen so gestalten, dass die Versicherten die Leistungen erhalten, die ihnen zustehen! Über die Arbeit in einem Widerspruchs-ausschuss weiß ich, dass es oft um die passende Formulierung geht, die über den Erfolg des Widerspruchs entscheidet. Dieses Wissen kann ich direkt an die Kolleginnen und Kollegen weitergeben. Aber auch neue Ideen sind gefragt. Zum Beispiel haben wir mit einem Vorschlag auf der Landesebene der DGUV einen innerbetrieblichen Vermittlungs-Service auf nationaler Ebene angeregt. Die Initiative DGUV job (http://www.dguv.de/job/index.jsp) vermittelt Arbeitnehmer*innen, die nach einer Berufskrankheit oder nach einem Arbeitsunfall in die Arbeit zurück wollen und eine berufliche Neuorientierung anstreben.
Seit 2011 veranstaltet ver.di alljährlich im Mai den Tag der Selbstverwaltung. Dein persönliches Motto für den Tag der Selbstverwaltung 2016?
Selbstverwaltung durchschaubar machen!
[28.6.2016]