Bianka Petri

15.03.2016

Bianka Petri, Jahrgang 1957, ist seit September 1974 Gewerkschaftsmitglied. Die gelernte Fachverkäuferin für Industriewaren und studierte Betriebswirtin arbeitet seit den 90er-Jahren als Verwaltungsfachangestellte in der Stadtverwaltung Schwerin. Gegenwärtig ist sie freigestelltes Personalratsmitglied und für ver.di unter anderem im Vorstand des Landesfachbereichs Nord und seit dem Bundeskongress 2015 in der Bundesrevisionskommission tätig. Die Arbeit in der sozialen Selbstverwaltung ist für Bianka Petri eine Herzensangelegenheit. Sie ist seit 2010 stellvertretendes Mitglied im Verwaltungsausschuss der Agentur für Arbeit Schwerin. Zugleich ist sie alternierende Vorstandsvorsitzende der Unfallkasse Mecklenburg-Vorpommern. In diese Aufgabe ist sie zuerst eher notfallmäßig hineingeraten. Jetzt ist auch diese Arbeit für Bianka Petri eine tolle Möglichkeit, sich für eine gelebte Sozialpartnerschaft einzusetzen.

 

 

Selbstverwaltung was ist das?

Selbstverwaltung ist ein wichtiger Baustein einer gelebten Demokratie und ermöglicht den Bürgerinnen und Bürgern eine eigenverantwortliche Mitgestaltung der Sozialversicherungen.

Gewerkschafter*innen in der Selbstverwaltung vertreten die Interessen der Versicherten. Was heißt das konkret?

Arbeitnehmervertretungen (Betriebs- bzw. Personalräte) sind die gemeinsamen Interessenvertreter der Beschäftigten. Ähnlich sehe ich die Rolle der Gewerkschaftlerinnen und Gewerkschaftler in der Selbstverwaltung. Sie haben eine besondere und wichtige Funktion übernommen: Sie vertreten die Interessen der Versicherten.

ver.di sagt: Gewerkschaftsvertreter*innen in der Selbstverwaltung sind die idealen Versichertenvertreter. Warum?

Tja, warum? Durch die besondere Rolle, die die Gewerkschaftlerinnen und Gewerkschaftler auch im Prozess politischer Entscheidungen haben! Diese zeichnet sich für mich dadurch aus, alles zu hinterfragen, nichts kritiklos hinzunehmen, und bei alledem gleichgewichtswahrend, ausgleichend zu agieren.

 

Viele Versicherte sagen uns: Ich weiß gar nicht, was meine Selbstverwalter für mich machen. Wie und wo können sie von Deiner Arbeit erfahren?

Da ich auf verschiedenen gewerkschaftlichen Ebenen tätig bin, nutze ich natürlich Vorstandssitzungen, Klausurtagungen oder Mitgliederversammlungen, um über mein Engagement in der sozialen Selbstverwaltung zu berichten und andere Gewerkschaftsmitglieder zu motivieren, sich selbst auch auf ein Ehrenamt in der Selbstverwaltung „einzulassen“.

ver.di hat einen kleinen Cartoon-Film gemacht, um über die Aufgaben in der Sozialversicherung zu informieren. Welches Bild in unserem Viola-Clip gefällt Dir am besten?

Viola auf dem ver.di-Verwaltungsgebäude in Berlin mit dem Bismarck-Fernrohr in der Hand! An was erinnert mich dieser Clip? An meine erste Veranstaltung zur Selbstverwaltung in Berlin. Es war 2014 bei einer gemeinsamen Veranstaltung von DGB, BDA und der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt. Hier stellten mehrere Referenten dar, wie auf Initiative des damaligen Reichskanzlers Otto von Bismarck der Aufbau einer Arbeitnehmerversicherung in Deutschland eingeleitet wurde. Im Jahre 1883 wurde die Krankenversicherung eingeführt, 1884 die Unfallversicherung und ab 1889 konnten die Arbeitnehmer sich erstmals gesetzlich gegen die Folgen von Alter und Invalidität absichern. In den folgenden Jahren baute man das Sozialsystem kontinuierlich aus: ab 1912 gab es eine Sozialversicherung für Angestellte, 1927 trat die Arbeitslosenversicherung in Kraft. Das sind wichtige Errungenschaften, die es zu erhalten und zu gestalten gilt.

Du bist in der Selbstverwaltung an mehreren Stellen aktiv. Was war in diesen Aufgaben deine spannendste Erfahrung?

Seit mehreren Jahren bin ich als Ersatzmitglied im Verwaltungsausschuss der Agentur für Arbeit Schwerin tätig. Im Mai 2012 erhielt ich die Mitteilung, dass mich die Vertreterversammlung der Unfallkasse Mecklenburg-Vorpommern auf Vorschlag des Listenträgers als stellvertretendes Mitglied des Vorstandes der Unfallkasse Mecklenburg-Vorpommern – in die Gruppe der Versicherten – gewählt habe. Seit November 2013 nehme ich die Aufgabe der alternierenden Vorstandsvorsitzenden der Unfallkasse Mecklenburg-Vorpommern wahr. Eine verantwortungsvolle, vielseitige und interessante Aufgabe, der ich mich zuerst eher unfreiwillig stellte. Bei uns ereignete sich das ungewöhnliche Ereignis einer Ersatzvornahme durch das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gleichstellung. Dieses Ehrenamt fordert mich seither stark; ich stelle mich dieser Herausforderung gern, auch oder gerade, weil sie mir viel abverlangt.

Zur konkreten Arbeit vielleicht so viel: Gemäß § 35 SGB IV verwaltet der Vorstand den Versicherungsträger und vertritt ihn gerichtlich und außergerichtlich, soweit Gesetz oder sonstiges für den Versicherungsträger maßgebendes Recht nichts Abweichendes bestimmen. Der Vorstand erlässt Richtlinien für die Führung der Verwaltungsgeschäfte, soweit diese dem Geschäftsführer obliegen. Das heißt für mich in der Materie stehen, recherchieren, lesen. Es wird viel über Unfallverhütungsvorschriften und Grundsätze der Prävention gesprochen; hierzu werden dann Vorschriften und Regelwerke erarbeitet und beschlossen. Hier kann ich nur mitwirken, wenn ich Hintergrundwissen habe und gründlich verstehe, was ich beschließe bzw. was der Vorstand der Vertreterversammlung zur Beschlussfassung vorlegt. So ist Selbstverwaltungsarbeit für mich zu einer Exkursion in bisher unbekannte Gebiete des Sozialrechts geworden. Jeden Monat neu spannend und von unmittelbarer Bedeutung für die soziale Sicherheit unserer Kolleginnen und Kollegen.

Seit 2011 veranstaltet ver.di alljährlich im Mai den Tag der Selbstverwaltung. Dein persönliches Motto für den Tag der Selbstverwaltung 2016?

Mein Motto ist die Vorfreude. Ich freue mich auf den Schwerpunkt 2016 – Selbstverwaltung in der Unfallversicherung.

[6.5.2016]