11.11.24
Die aktuelle Ampel-Regierungskoalition ist u. a. mit dem Versprechen angetreten, Hartz IV zu überwinden und mit dem Bürgergeld ein neues System zu etablieren. Im zweiten Umsetzungsschritt der Bürgergeldeinführung treten zum 01. Juli 2023 die Änderungen zur Einkommensanrechnung und Unterstützung bei Maßnahmen zur Qualifizierung in Kraft.
Das Bürgergeld soll – neben der Kindergrundsicherung – ein weiterer Fortschritt in der sozialen Sicherung von Bürger*innen sein. Nach Aussage von Bundesminister Hubertus Heil soll das „Bürgergeldgesetz“ mehr Respekt, „mehr Augenhöhe“, mehr Chancen und Gleichberechtigung für die SGB-II–Leistungsbeziehenden in dem Zusammenwirken mit dem Jobcenter bringen.
Die zahlreichen Änderungen im Gesetz haben dies nur bedingt verwirklicht.
ver.di – allen voran der Bundeserwerbslosenausschuss – hat vornehmlich kritisiert, dass eine Anhebung der Regelsätze auf ein armutsfestes Niveau (in einem ersten Schritt werden zumindest 650 Euro erwartet), ebenso wenig realisiert wurde wie die vollständige Abschaffung von Sanktionen. Die weiterhin bestehende Sanktionspraxis verhindert aber eine Begegnung auf Augenhöhe. Die 100prozentige Leistungsminderung wegen fehlender Mitwirkung wurde im Bürgergeld – Gesetz gar nicht angepackt.
Diese elementaren Kernpunkte der Kritik an „Hartz IV“ wurden aus der Sicht von ver.di und des Bundeserwerbslosenausschusses nicht korrigiert.
Es gibt allerdings auch positive Ansätze im neuen Gesetz. Dazu zählen für ver.di der Wegfall des Vermittlungsvorrangs, die Entfristung des sozialen Arbeitsmarktes und die Förderung der Fortbildung.
Zum 1. Juli 2023 treten nunmehr insbesondere Änderungen bei den Zuverdienstregelungen und bei der finanziellen Unterstützung von Weiterbildungen ein.
Einige zentrale Änderungen zum 1. Juli sind:
Der neu konzipierte Kooperationsplan ersetzt ab dem 1. Juli 2023 die alte Eingliederungsvereinbarung. Der Kooperationsplan soll flexibler auf die Wünsche der Leistungsberechtigten eingehen und gemeinsam entwickelte Wege zu einer gelingenden Integration verankern. Durch den Verzicht auf Rechtsfolgenbelehrungen soll ein vertrauensvollerer Umgang ermöglicht werden. Sanktionen aufgrund von Pflichtverletzungen sind damit zunächst nicht mehr möglich. Bei Meinungsverschiedenheiten kann ein Schlichtungsverfahren in Gang gesetzt werden. Bei aus Sicht der Jobcenter unzureichender Mitwirkung können auch Rechtsfolgenbelehrungen mit der Androhung von Leistungsminderungen eingesetzt werden.
Auch die neuen Regeln zur Erreichbarkeit von Leistungsberechtigten (§ 7 b SGB II) treten zum 1. Juli 2023 in Kraft. Zur Konkretisierung der Erreichbarkeitsanforderungen liegt ein Verordnungsentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vor, der ebenfalls zum 1. Juli in Kraft treten soll.
Zu kritisieren ist an den Bestimmungen u. a., dass ein Verfahren oder eine Verpflichtung für eine zeitnahe Zustimmung der Jobcenter für Abwesenheiten fehlt. Sofern eine Zustimmung der Jobcenter erst wenige Tage vor der gewünschten Abwesenheit erteilt wird besteht keine Planungssicherheit. Zumeist entstehen bei kurzfristiger Planung zudem höhere Kosten – das ist für Menschen mit geringem Einkommen ein Problem.
Insgesamt stellen die zum 1. Juli 2023 in Kraft tretenden Änderungen für die einschlägig betroffenen Leistungsberechtigten durchaus nennenswerte Verbesserungen dar. Dies gilt insbesondere für die geänderte Einkommensanrechnung bei jungen Menschen. Auch die verbesserte finanzielle Unterstützung für Teilnehmende an Weiterbildungsmaßnahmen ist zu begrüßen. Das Instrumentarium der Jobcenter für die Förderung von Leistungsbeziehenden ist damit ausgeweitet worden.
Die Reform leidet aber erkennbar darunter, dass es an einer entsprechenden Finanzausstattung der Arbeitsförderung der Jobcenter mangelt. Neue Instrumente nützen wenig, wenn das Geld fehlt, um sie einzusetzen.
Wichtig ist es für ver.di und den Bundeserwerbslosenausschuss zudem, dass ausreichend Personal zur Verfügung steht und dieses auch genügend Zeit hat, damit der Wechsel von Sanktionen und Druck durch Eingliederungsvereinbarungen hin zu Motivation und Vertrauen auch gelingen kann. In Kombination mit geplanten Etatkürzungen warnen die Personalräte der Jobcenter zu Recht vor einer Überlastung der Beschäftigten mangels Personal.
ver.di fordert daher die Bundesregierung auf, den begonnenen Weg der Überwindung des Hartz IV Systems konsequent weiter zu verfolgen und die dafür notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen bereitzustellen.
[10.7.2023]
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