14.05.24
Das „Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ (kurz: FüPoG II) dürfte im Detail vor allem Insiderinnen ein Begriff sein. Dem gesetzgeberischen Ziel wird dieses Schattendasein nicht gerecht: Geht es doch darum, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen und verbindliche Vorgaben für die Wirtschaft und den öffentlichen Dienst zu machen.
Die Bundesregierung hatte sich im Jahre 2016 mit dem „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen“ (kurz: FüPoG) auf den Weg gemacht. In dieser ersten Version war das gesetzgeberische Ziel die Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten. Im sogenannten FüPoG II steht seit 2021 die Erhöhung des Frauenanteils in Vorständen auf der Agenda: Börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen werden in die Pflicht genommen, künftig mindestens eine Frau in den Vorstand zu berufen, wenn dieser aus mehr als drei Personen besteht (Mindestbeteiligungsgebot). Weiterhin enthält das FüPoG II die Verpflichtung für Unternehmen, Zielgrößen für mehr Frauen in Führungspositionen zu setzen und darüber öffentlich zu berichten; meldet ein Unternehmen keine Zielgrößen oder keine Begründung für die „Zielgröße 0“ sieht das Gesetz sogar Sanktionen vor.
Sicher ist es für eine abschließende Bewertung der praktischen Auswirkungen des FüPoG II noch verfrüht. Klar ist aber, dass es im Hinblick auf die Geschlechtergerechtigkeit auf Positionen der ersten und zweiten Führungsebene einigen Aufholbedarf gibt. Die aktuelle Situation veranschaulicht eine aktuelle Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) mit dem Titel „Der Weg nach ganz oben bleibt Frauen oft versperrt“ sehr eindringlich:
Würde es rein rechnerisch in diesem Tempo (1 Prozentpunkt Zugewinn alle zwei Jahre) weitergehen, wären Frauen im Jahr 2052 ihrem Anteil an der Gesamtbeschäftigung entsprechend in Positionen der ersten und zweiten Führungseben vertreten. Auf der zweiten Führungsebene liegt der Frauenanteil bei 40 Prozent, stagniert allerdings seit 2016.
Beim Blick auf die Branchen und Betriebe zeigt sich, dass Frauen am häufigsten in den Bereichen Sozial- und Gesundheitswesen sowie Erziehung Führungspositionen bekleiden. Unterrepräsentiert sind weibliche Führungskräfte dagegen am deutlichsten im Bereich der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen.
Eine weitere Auffälligkeit ist die Korrelation zwischen Betriebsgröße und Frauenanteil: Das IAB konstatiert, dass „mit zunehmender Größe sowohl der Anteil von Frauen auf der ersten und zweiten Führungsebene als auch der Anteil von Frauen an der Gesamtbeschäftigung“ abnimmt. Ein Zusammenhang, der sich seit Jahren unverändert zeigt.
Im öffentlichen Sektor arbeiten im Vergleich zur Privatwirtschaft deutlich mehr Frauen: Nach Analysen des IAB liegt ihr Anteil an allen Beschäftigten (bereits seit Beginn der regelmäßigen Befragung 2004) bei um die 60 Prozent und damit 18 Prozent über dem vergleichbaren Wert in der Privatwirtschaft. In den Führungsetagen finden sich in diesen Bereichen auch häufiger Frauen: Auf der ersten Ebene beträgt der Frauenanteil 37 Prozent (+10 Prozent in Vergleich zum privaten Bereich) und auch auf der zweiten Ebene sind die Führungskräfte zu 46 Prozent (+6 Prozent) weiblich. Aber: Angesichts des hohen Frauenanteils an der Gesamtbeschäftigung liegt der Gender Leadership Gap im öffentlichen Sektor unter dem in der Privatwirtschaft:
Zusammenfassend kommen die Wissenschaftlerinnen des IAB in ihrer Analyse zu folgenden Gesamtfazit: Frauen sind in den ersten Führungsebenen der Privatwirtschaft entsprechend ihrem Anteil an den Belegschaften insgesamt unterrepräsentiert. Daran hat sich seit 2004 (dem Beginn der regelmäßigen Befragungen) nichts Wesentliches verändert. Das Inkrafttreten des FüPoG in 2016 hatte keine signifikante Auswirkung auf die einschlägigen Anteile und Werte. Inwieweit das FüPoG II (stärkere) Impulse setzen kann, gilt es abzuwarten und weiter zu beobachten.
Besser sieht es auf der zweiten Führungsebene aus: Hier gibt es mit Blick auf den Frauenanteil seit 2004 einen Anstieg um 7 Prozent zu verzeichnen, der Gender Leadership Gap hat einen Wert von 0,93 erreicht. Der bereits seit Jahren hohe Wert (2004: 0,80; 2012: 0,88; 2016: 0,91) hat (bisher) nicht dazu geführt, dass Frauen auch den nächsten Schritt auf die erste Führungsebene machen konnten. Die vielfach vertretene Hypothese, wonach es nur eine Frage der Zeit sei, bis genug Frauen hinreichende Erfahrungen auf der zweiten Ebene gesammelt haben und dann auf die erste Führungsebene aufsteigen, trägt in der Praxis nicht. Vielmehr scheint die sogenannte „gläserne Decke“ Frauen noch immer den Weg in die erste Führungsreihe versperren.
Abschließend bleibt am Internationalen Frauentag 2022 festzustellen, dass auf dem Weg zu einem flächendeckenden Gender Leadership Gap von 1 und damit einer angemessenen Repräsentanz von Frauen an der Führung von Unternehmen und Betrieben im privaten wie auch im öffentlichen Sektor noch ein langer Weg zu gehen bleibt.
Der Bereich Frauen- und Gleichstellungspolitik bei ver.di verfolgt das Thema Frauenförderung kontinuierlich, wir empfehlen zur weiterführenden Lektüre einen Text, der auch die DGB-Stellungnahme zum geplanten Gesetz für die Teilhabe von Frauen an Führungspositionen enthält.
[8.3.2022]
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