Neues aus der ver.di-Erwerbslosenarbeit

19.02.2024

Massive Einsparungen im Bundeshaushalt führen zu Kürzungen beim Bürgergeld!

Durch die massiven Einsparungen im „Entwurf eines Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes“ hat die Ampel-Regierung im Aufgabenbereich der Bundesagentur für Arbeit gravierende Kürzungen vorgenommen. Der Gesetzesentwurf beinhaltet u. a. folgende Maßnahmen:

Kürzungen im SGB II / Bürgergeld

  • Rücknahme des Bürgergeld-Bonus
  • Einführung einer 100-Prozent-Leistungsminderung (Sanktion)

Für den ver.di-Bundeserwerbslosenausschuss (BEA) sind die beiden Maßnahmen besonders kritikwürdig (BEA-Erklärung). Im Dezember 2023 hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil den Bürgergeld-Bonus als „attraktiven finanzi-ellen Anreiz“ zur Teilnahme an Maßnahmen gelobt. Hierfür waren 75 Euro monatlich vorgesehen. Die Worte waren noch nicht ganz verklungen, da hat die Ampelregierung schon beschlossen, dass der erst zum 01. Juli 2023 eingeführte Bürgergeld-Bonus wieder gestrichen wird. Damit wird ein fortschrittlicher Baustein des Bürgergeldes, ein bescheidener finanzieller Anreiz, um an nicht abschlussorientierten Maßnahmen teilzunehmen, ersatzlos gestrichen. So sollen 100 Mio. Euro eingespart werden.

Aber noch dramatischer ist der geplante Rückschritt in den Regelungen zur Leistungsminderung (Sanktionen). Im Rahmen der Gesetzesvorlage der Ampel-Regierung „Entwurf eines zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes“ soll nunmehr wieder die Möglichkeit einer 100-Prozent-Leistungsminderung im SGB II eingeführt werden – bei Beibehaltung der Weiterfinanzierung der Kosten der Unterkunft (KdU) und der Heizung. Diese Kürzungen sollen dem Bundeshaushalt und den kommunalen Haushalten 170 Mio. Euro zuführen. 

Die Vorsätze und Verbesserungen, die mit der Einführung des Bürgergeld verbunden waren, sind somit hinfällig geworden.  Der BEA fordert die Abgeordneten in den einzelnen Fraktionen, insbesondere die Abgeordneten der Fraktionen der Ampelregierung auf, den Sozialabbau zu stoppen! 

Seminar Sozialgesetzbuch II 

Zudem wollen wir auf ein Seminar zum Sozialgesetzbuch II – Grundsicherung – (Bürgergeld-Gesetz) vom 29.01. bis 02.02.2024 in Gladenbach (LINK) hinweisen. Denn mit der Einführung des Bürgergeldes zum 01.01.2023 in Ablösung der umgangssprachlich „Hartz IV“ genannten Sozialleistung (Grundsicherung) haben sich bis heute im SGB II viele Änderungen ergeben. Damit das neue Bürgergeld auch besser verstanden wird und abgerufen wird, iist es wichtig, dass Rechte, Angebote und Neuerungen bekannt sind und vermittelt werden können. Das Angebot dieses Seminars richtet sich sowohl an betroffene Gewerkschaftsmitglieder als auch an Betriebs- und Personalräte oder interessierte Beschäftigte. Auch im nächsten Jahr sind bereits wieder Seminare zum SGB eingeplant. 

Die wichtigsten Änderungen des Gesetzes sind: Die Leistungen werden weiterhin an die Voraussetzungen der Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit geknüpft, es sei denn, es leben weitere Personen mit dem Antragsteller in einer Bedarfsgemeinschaft. Vermögen bleibt in größerem Umfang anrechnungsfrei. In den ersten 12 Monaten des Leistungsbezuges gilt z. B. ein Vermögensfreibetrag von 40.000 Euro für die antragstellende Person und von 15.000 Euro für jede Person innerhalb der Bedarfsgemeinschaft. Wie zuvor auch, ist selbst genutztes Wohneigentum von dieser Berechnung ausgenommen. Eine wesentliche Änderung gibt es auch bei den Kosten der Unterkunft und Heizung. Im ersten Jahr des Leistungsbezuges gibt es keine Angemessenheitsprüfung, die Leistungen werden vollständig übernommen, ausgenommen sind allerdings die Heizkosten und Stromkosten. Neu eingeführt wurde auch der Kooperationsplan, der die Eingliederungsvereinbarung ablöst. Alles das wird im Detail mit Fallbeispielen und Lösungen erarbeitet.

Sitzung des Bundeserwerbslosenausschusses (BEA) am 22./23. Januar 2024 in Berlin

Am 22./23. Januar 2024 hat der Bundeserwerbslosenausschuss (BEA) in Berlin getagt. Am ersten Tag hat der BEA mit der Ressortleiterin über die zukünftige Positionierung der Erwerbslosenpolitik im Ressort 5 diskutiert. Im Anschluss hat der Referatsleiter Arbeitsmarktpolitik, mit den Teilnehmer*innen die arbeitsmarktpolitische Seite der Erwerbslosenpolitik betrachtet und diskutiert. Für das Schwerpunktthema das am zweiten Tag auf der Tagesordnung stand, „Maßnahmen nach § 16 SGB II“, wurde eine Referentin des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eingeladen. Genauer betrachtet wurden die folgenden Maßnahmen:

Das am 01. Januar 2019 in Kraft getretene Teilhabechancengesetz hat die Förderinstrumente der

  • „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“ nach § 16 e SGB II (Zielgruppe: Menschen, die seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind) und
  • „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ nach § 16 i SGB II (Zielgruppe: Menschen, die mindestens sechs Jahre innerhalb der letzten sieben Jahre Leistungen nach dem SGB II (Bürgergeld) bezogen haben und über 25 Jahre alt sind)

im SGB II integriert.

Beide Förderungen setzen auf Lohnkostenzuschüsse für Arbeitgeber, die förderberechtigte Personen einstellen – sei es in privaten, öffentlichen oder gemeinnützigen Betrieben. Zur Stabilisierung der Beschäftigung findet eine ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung („Coaching“) nach § 16 k SGB II statt. So können erwerbsfähige Bürgergeld-Beziehende, die aufgrund von individuellen und sozialen Problemen besondere Schwierigkeiten bei ihrer beruflichen Eingliederung haben, durch eine ganzheitliche Betreuung (sogenanntes Coaching) unterstützt werden. 

Die freie Förderung § 16 f SGB II bietet den Jobcentern vor Ort Raum für flexiblere Handlungsmöglichkeiten für eine individuelle Unterstützung von erwerbsfähigen Bürgergeldberechtigten bei deren Eingliederung in Arbeit.

Gewerkschaftliche Erwerbslosenarbeit wieder stärken! 

Am Freitag, den 3. November 2023 fand zudem die jährliche Mitgliederversammlung der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosenarbeit (KOS) in der IG Metall Landeszentrale in Berlin statt. Die KOS ist ein Zusammenschluss gewerkschaftlich organisierter Verbände und Organisationen, die Erwerbslose in ganz Deutschland unterstützen und vertreten. Damit ist sie ein essenzieller Baustein des deutschen Sozialsystems sowie der Gewerkschaftsbewegung. 27 ver.di-Einzelorganisationen (auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene) sowie viele Einzelmitglieder sind Teil der KOS und unterstützen damit tatkräftig die wichtige Arbeit der Koordinierungsstelle. Finanziert wird die KOS sowohl von Gewerkschaften als auch durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Berichte von Mitgliedern der KOS zeigen die vermehrten Angriffe von rechts auf selbstorganisierte Sozialberatung und Organisierung von Erwerbslosen auf.

Auf der Mitgliederversammlung wurde der langjährige Vorsitzende Horst Schmitthenner von der IG Metall mit großem Applaus und Standing Ovations verabschiedet. Nach ordnungsgemäßer Vorstellung des Geschäfts-, Revisions- und Kassenberichts, wurde der Vorstand einstimmig entlastet und ein spannendes, neues Jahr eingeläutet. Mit großer Mehrheit wurde anschließend Hartwig Erb von der IG Metall zum Vorsitzenden, Werner Schäffer zum stellvertretenden Vorsitzenden sowie Heinz Georg von Wensiersky zum Beisitzer gewählt. Werner und Heinz Georg sind beide langjährige und geschätzte ver.di-Kollegen.

Die Ressortleiterin des Ressort 5, Rebecca Liebig, die ein Grußwort an die Versammelten richtete, betonte, dass Fördervereine wie die KOS besonders wichtig für den politischen Diskurs und die Interessensvertretung von erwerbslosen Menschen sind. Sie begrüßte die Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Fördervereinen in diesem Bereich. Mit dem Grußwort zeigt ver.di, dass eine erneute Schwerpunktsetzung von Erwerbslosenarbeit in der Organisation notwendig und gewünscht ist. Ein weiteres Referat von des Bereichsleiters der Sozialpolitik im IG Metall Vorstand, berichtete von dem IG Metall-Beschluss am Gewerkschaftstag, eine Sozialstaatsoffensive zu starten sowie der Rolle, die der ehemalige Vorsitzende der KOS, Horst Schmitthenner, dabei spielte.