Schluss mit der Panikmache!

Keine Kürzung der Bundeszuschüsse zur Rente!

07.10.2024

Gegen die Forderung aus der Politik, Bundesmittel zu kürzen. ver.di fordert mehr sozialen Ausgleich!

In fast jeder Rentendiskussion spielen die sogenannten Bundeszuschüsse, also die steuerfinanzierten Zahlungen des Bundes an die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) eine Rolle. Die einen dramatisieren die Zahlungen und fordern sie zu kürzen, andere wollen sie gar ganz abschaffen. Dagegen fordert ver.di vor allem die Stärkung des sozialen Ausgleichs und die Verringerung von Altersarmut! Zeit und Anlass sich dieses Themas anzunehmen und mehr Fach- und Sachlichkeit in die Debatte zu bringen.

Was sind Bundesmittel, was Bundeszuschüsse?

Die Einnahmen der GRV setzen sich zum einen aus den Beiträgen der Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen und zum anderen aus den sogenannten Bundesmitteln (als Oberbegriff) zusammen. 2023 betrug die Summe der Bundesmittel insgesamt 112,5 Mrd. Euro. Darunter sind die Zuschüsse an die Rentenversicherung (75 %) und die weiteren Zahlungen, wie der Zuschuss an die Knappschaft (4 %), die Erstattungsleistungen aus den Zusatzsystemen der ehemaligen DDR (5 %) und die Beiträge für Kindererziehung (15 %) zu verstehen.

Diese werden durch Steuermittel finanziert, da es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben handelt. Die GRV übernimmt dabei Aufgaben, die durch Beitragsmittel nicht gedeckt sind.

Wofür werden die Bundesmittel ausgegeben?

Der überwiegende Anteil der Bundesmittel von gut 84 Mrd. Euro fließt als Bundeszuschüsse in die allgemeine Rentenversicherung (Grafik 1). Zudem zahlte der Bund im Jahr 2023 knapp 5 Mrd. Euro an die Knappschaft und gleicht damit das Defizit zwischen Einnahmen und Ausgaben in der Alterssicherung der Bergleute aus. Mit knapp 6 Mrd. Euro erstattete der Bund der Rentenversicherung Leistungen, die aus den Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR abgeleitet werden. Zu den Zahlungen für Kinderziehung siehe unten „Spezialfall Kindererziehung“.

Funktion der Bundeszuschüsse

Die Bundeszuschüsse dienen neben ihrer grundsätzlichen Sicherungsfunktion und Gewährleistung der Leistungsfähigkeit unter sich verändernden ökonomischen und demografischen Rahmenbedingungen vor allem der Finanzierung von nicht beitragsgedeckten Leistungen. Sie basieren nicht auf Beitragszahlungen der Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen und sollen u. a. dem sozialen Ausgleich dienen. Das Ausmaß der nicht beitragsgedeckten, früher oft als versicherungsfremde Leistungen bezeichnet, ist immer auch Ergebnis eines politischen Werturteils darüber, wie umfangreich das Ziel des sozialen Ausgleichs festgelegt wird.

Zu den nicht beitragsgedeckten Leistungen zählen insbesondere die höhere Bewertung der Rentenzeiten in den neuen Bundesländern und von Kindererziehenden mit unterdurchschnittlichem Arbeitsentgelt. Neu hinzugekommen sind unter anderem die abschlagsfreie, vorzeitige Altersrente nach 45 Beitragsjahren („Rente ab 63“) und der Grundrentenzuschlag.

Würden diese gesamtgesellschaftlichen Aufgaben nicht über Steuern finanziert werden, müssten die Beitragssätze für die GRV steigen oder Leistungen gekürzt werden. Da es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben handelt, im besonderen Maße bei der Kindererziehung und dem Grundrentenzuschlag, müssen diese Leistungen von der Allgemeinheit und somit von allen Steuerzahlenden, darunter auch nicht rentenversicherte Personen wie Selbstständige und Beamte, mitfinanziert werden.

Spezialfall Kindererziehung

Bei den Leistungen für Kindererziehung muss unterschieden werden: Bis zum Jahr 1992 gab es für die Zeit der Kindererziehung einen Entgeltpunkt in der GRV. Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. März 1996 wurde die rentenrechtliche Anerkennung von Kindererziehungszeiten deutlich angehoben. Bei Kindern, die 1992 und danach geboren sind, werden nun in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes je ein Entgeltpunkt dem Versicherungskonto des*der Erziehenden gutgeschrieben. Bei Kindern, die vor 1992 geboren sind, blieb es zunächst bei einem Entgeltpunkt. Dafür leistet der Bund 15 Prozent der Bundesmittel (17,3 Mrd. Euro in 2023) an die Rentenversicherung.

Durch die „Mütterrente“, die natürlich auch Väter beziehen können, erhalten die Erziehenden der vor 1992 geborenen Kinder neben dem einen Entgeltpunkt weitere 1,5 Entgeltpunkte. Diese Rentenpunkte aus der „Mütterrente“ rechnet die GRV zu den nicht beitragsdeckten Leistungen, die durch die Bundeszuschüsse an die allgemeine Rentenversicherung gezahlt werden. Somit werden die Beiträge zur Kindererziehung und die Mütterrente unter zwei verschiedenen Punkten finanziert (Grafik 1).

Anpassung der Bundeszuschüsse

Die Bundeszuschüsse sind regelgebunden, d. h. sie werden nach einem gesetzlichen Mechanismus regelmäßig angepasst (§ 213 SGB VI).

Der allgemeine Bundeszuschuss ´und der Erhöhungsbetrag zum allgemeinen Bundeszuschuss verändern sich entsprechend der Lohnentwicklung, der zusätzliche Bundeszuschuss verändert sich seit dem Jahr 2000 entsprechend der Veränderungsrate der Mehrwertsteuer. Sie betrugen im Jahr 2023 zusammen 84,3 Mrd. Euro.

Kürzungen der Bundeszuschüsse

Die Bundesregierung hat in den letzten drei Jahren wiederholt die Bundeszuschüsse kurzfristig gekürzt, um Löcher im Haushalt zu stopfen. Darunter fällt die Abschaffung von vier Sonderzahlungen in der Höhe von je 500 Mio. Euro für die Jahre 2022 bis 2025 und die Kürzung des Erhöhungsbetrages um 1,2 Mrd. Euro für die Jahre 2023 und 2024. Im aktuellen Finanzplan sind zudem weitere Kürzungen von insgesamt zwei Mrd. Euro in den Jahren 2025 bis 2027 vorgesehen. Zusätzlich würden die veränderten Fortschreibungsregeln im Rentenpaket II dazu führen, dass die Bundeszuschüsse von 2024 bis 2027 niedriger ausfallen. Die GRV spricht insgesamt von Kürzungen in Höhe von zehn Mrd. Euro im Zeitraum 2022 bis 2027.

Gleichzeitig warnte ein Bericht des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der Alterung der Bevölkerung vor enormen Steigerungen der Bundeszuschüsse, die den Bundeshaushalt sprengen würden und ohne massive Steuererhöhungen nicht finanzierbar seien. Etwas weniger kritisch äußerte sich Marcel Fratzscher, Chef vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW), jedoch sprach auch er von einem massiv steigenden Anteil der Bundeszuschüsse am Bundeshaushalt.

Der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagfraktion, Stephan Stracke, äußerte die Sorge, dass die Bundeszuschüsse von gegenwärtigen 100 Mrd. auf 140 Mrd. ansteigen werden und spricht im Zuge des geplanten Rentenpaket II von zusätzlichen Steuerbelastungen und Belastungen für  den Bundeshaushalt. Unter der Führung von Friedrich Merz will die Union zudem bald ein "100-Tage-Programm" zur Rente veröffentlichen, in dem gefordert wird, dass die Bundesmittel nicht mehr als ein knappes Drittel des Bundehaushaltes ausmachen sollen.

Ebenso sank der Anteil der Bundesmittel am Bundeshaushalt von 31 Prozent im Jahr 2004 auf 25 Prozent im Jahr 2023. Auch wenn künftig verstärkt die sogenannten „Baby-Boomer“ in Rente gehen, wird der Anteil der Bundesmittel am Bundeshaushalt auch zukünftig nicht wesentlich ansteigen. Es kann lediglich damit gerechnet werden, dass in Zukunft ein vergleichbares Niveau wie im Jahr 2004 erreicht wird. Die 31 Prozent mit dem Rentenpaket II im Vergleich zu den 30 Prozent ohne das Rentenpaket II ergeben sich aus den geplanten zusätzlichen Bundesmitteln zur Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent (Grafik 3).

Warum wird gekürzt?

Hintergrund der Kürzungen ist unter anderem die Debatte um das sogenannte „Haushaltsloch“. Das Budget des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) nimmt fast ein Drittel des Gesamtetats ein. Davon geht der größte Anteil an die Gesetzliche Rentenversicherung. Deshalb werden gerade seitens der FDP Einsparungen in diesem Bereich gefordert, um die Lücke im Bundeshaushalt zu schließen.

Fazit und Forderungen von ver.di

Den Befürchtungen von steigenden Bundeszuschüssen zur Rentenversicherung ist somit entgegen zu treten. Auch wenn der nominale Betrag steigt, sinken die Bundeszuschüsse gemessen am BIP und dem Bundeshaushalt. Zudem haben die Kürzungen Nachteile: Zum einen wird die Nachhaltigkeitsrücklage schneller abgebaut. Bei zeitgleich steigenden gesamtgesellschaftlichen Anforderungen an die Alterssicherung führen die Kürzungen zum anderen dazu, dass entweder der Beitragssatz steigt oder dass Leistungen gekürzt werden müssen. Darüber hinaus riskiert die Bundesregierung mit ihrer wiederholten Kürzung einen großen Vertrauensverlust in die Verlässlichkeit ihrer Zusagen.

ver.di fordert: Keine weiteren Kürzungen der Bundesmittel! Um den sozialen Ausgleich in der Alterssicherung zu gewährleisten, braucht es mehr Steuerzuschüsse in die Rente. Dies ist insbesondere angesichts des großen Problems der Altersarmut wesentlich. Darüber hinaus fordert ver.di die Wiedereinführung der rentenrechtlichen Absicherung von Bürgergeld- bzw. SGB II-Beziehenden und eine Abschaffung der Anrechnung von Partnereinkommen beim Grundrentenzuschlag.

 

Downloads