14.05.24
ver.di und die DGB-Gewerkschaften machen sich für die verbindliche Zertifizierung privater Arbeitsvermittler*innen stark, weil zahlreiche Missbrauchsfälle bekannt geworden sind. Ein internationales Übereinkommen regelt die Tätigkeit privater Arbeits-vermittler*innen und schützt so Arbeitnehmer*innen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen. Bislang wurde es von Deutschland nicht ratifiziert.
Die International Labour Organization (ILO) bzw. die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) wurde 1919 gegründet und ist seit 1946 eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Die ILO hat sich der Förderung von sozialer Gerechtigkeit und der Verbesserung von Arbeitsbedingungen weltweit verschrieben und arbeitet mit Regierungen und Sozialpartnern zusammen, um internationale Arbeitsstandards zu entwickeln und umzusetzen. Dabei kommt der ILO eine wichtige Rolle zu bei der Förderung von Beschäftigung und Einkommen, der Bekämpfung von Kinderarbeit und Zwangsarbeit sowie der Förderung von Geschlechtergleichstellung und Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz.
Jährlich wird auf der Internationalen Arbeitskonferenz (IAK) untersucht, wie die Arbeits- und Sozialstandards weltweit umgesetzt werden und wo konkreter Regelungsbedarf besteht. Basis hierfür sind internationale Übereinkommen, die zwischen den 185 Mitgliedsregierungen und den Sozialpartnern ausgehandelt und den nationalen Parlamenten – nach Verabschiedung – zur Ratifikation vorgelegt werden.
Deutschland hat bisher 86 von 190 Übereinkommen ratifiziert, darunter alle sogenannten Kernübereinkommen – u.a. zur Abschaffung von Zwangsarbeit, zum Verbot von Kinderarbeit und zum Schutz und zur Stärkung des Vereinigungsrechts und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen. Damit liegt Deutschland in der Spitzengruppe der Ratifizierer.
ABER …(insbesondere) ein Übereinkommen hat Deutschland bislang nicht ratifiziert: Das ILO-Übereinkommen Nr. 181 über private Arbeitsvermittler aus dem Jahr 1997.
Regelungszweck des Übereinkommens Nr. 181 ist es, Arbeitnehmer*innen, die Dienstleistungen privater Arbeitsvermittler in Anspruch nehmen, im Rahmen seiner Bestimmungen zu schützen (Artikel 2). Darunter fällt auch die Untersagung, den Arbeitnehmer*innen unmittelbar oder mittelbar Gebühren oder sonstige Kosten ganz oder teilweise aufzuerlegen (Artikel 7).
Laut Übereinkommen 181 sind Maßnahmen zu treffen, mittels derer sichergestellt wird, dass den von privaten Vermittlern angeworbenen Arbeitnehmer*innen das Recht auf Vereinigungsfreiheit und das Recht zu Kollektivverhandlungen nicht vorenthalten wird (Artikel 4). Die Mitgliedsregierungen haben Sorge dafür zu tragen, dass die privaten Arbeitsvermittler die Arbeitnehmer*innen nicht einer Diskriminierung aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, des Glaubensbekenntnisses, der politischen Meinung, der nationalen Abstammung, der sozialen Herkunft oder irgendeiner anderen Form der Diskriminierung – wie Alter oder Behinderung – aussetzen (Artikel 5).
Im Hinblick auf die besonders schutzbedürftige Zielgruppe der Wanderarbeitnehmer*innen ist ausreichender Schutz vorzusehen – gerade in diesem Segment drängt die ILO ausdrücklich auf die Verhinderung von Missbrauch und betrügerischen Praktiken bei der Anwerbung, Vermittlung und Beschäftigung (Artikel 8).
Organisatorisch sollen die Mitglieder [Regierungen, die das Übereinkommen ratifiziert haben] die für die Tätigkeit von privaten Arbeitsvermittlern maßgeblichen Bedingungen durch ein Bewilligungs- und Zulassungssystem festlegen (Artikel 3) und unter Umständen auch berechtigt sein, privaten Arbeitsvermittlern (unredliche) Tätigkeit zu verbieten. Angemessene Einrichtungen und Verfahren zur Untersuchung von Beschwerden, angeblichem Missbrauch und angeblichen betrügerischen Praktiken sind im Sinne des Übereinkommens vorzuhalten.
Auch wenn die ILO bereits 1997 zu den beschriebenen Regelungsgegenständen übereingekommen ist, haben diese auch im Jahr 2023 nichts an Aktualität eingebüßt. Das zeigen auch die aktuellen Diskussionen rund um die Fachkräfteeinwanderung. Da das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Handlungsbedarf sieht und davon spricht, dass es „mit Personaldienstleister- und Zeitarbeitsverbänden sowie Personalvermittlungs- und Leiharbeitsunternehmen im Austausch steht, um (insbesondere) die Vermittlung für die Rekrutierung von Fachkräften aus Drittstaaten zu „optimieren“, muss jetzt dringlich ein Blick auf die einschlägige Branche und ihre Geschäftsgebaren gelegt werden. Denn bislang lassen die Entwürfe der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung verbindliche Standards für eine faire Vermittlung vermissen – Maßnahmen zur Regulierung privater Vermittlungsagenturen fehlen gänzlich.
Die DGB-Gewerkschaften machen sich vor allem deswegen für eine Regulierung und verbindliche Zertifizierung privater Arbeitsvermittler stark, weil dem DGB zahlreiche Missbrauchsfälle im Rahmen privater Arbeitsvermittlungen bekannt sind, nicht zuletzt durch Vermittlungsagenturen mit Sitz im Ausland. Starke Disparitäten bei Einkommen und Lebensstandards weltweit machen es möglich, dass auch ausgebildete Fachkräfte mit falschen Versprechungen über Arbeits- und Einkommensverhältnisse in Deutschland getäuscht werden. Auf dem Anwerbe- und Vermittlungsmarkt müssen Qualität, Transparenz und Koordination zwischen allen beteiligten Akteuren hergestellt werden.
Vor diesem Hintergrund fordert der DGB (und auch ver.di), dass private Vermittler einer verbindlichen/obligatorischen Zertifizierung unterliegen müssen. Den Arbeitnehmer*innen dürfen keine ungebührlichen Risiken aufgebürdet werden. Arbeitgeber*innen in Deutschland dürfen nur mit privaten Vermittlern zusammenarbeiten, die diese Zertifizierung besitzen.
Und was liegt da näher, als die Ratifizierung des ILO-Übereinkommens 181 und die damit verbundenen Veränderungen im deutschen Rechtsrahmen endlich auf den Weg zu bringen?
[11.4.2023]
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