13.06.23
Peter Weiß und seine Stellvertreterin Doris Barnett haben am 30. September 2024 im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung im Bundesarbeitsministerium in Berlin den Abschlussbericht zu den Sozialwahlen 2023 an Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg übergeben, der Bundesminister Hubertus Heil vertrat. Sie verstehen den Bericht, wie sie auf der Veranstaltung mehrfach betonten, nicht als Schlussbericht, sondern als Auftakt für weitere Diskussionen. Immer mit dem Ziel, die Sozialwahlen und die Soziale Selbstverwaltung zu stärken.
Bei der letzten Sozialwahl 2023 ist die Wahlbeteiligung auf 22,43 Prozent gesunken. Nur einmal seit 1953 war die Wahlbeteiligung bei Sozialwahlen niedriger. Sozialwahlbeauftragter Peter Weiß sagte in seiner Begrüßung, dass bei einem so schlechten Ergebnis ein „Weiter so“ nicht infrage komme. Die Nachwahlbefragung habe ebenfalls gezeigt, dass die Bedeutung der Sozialwahlen und damit auch der Sozialen Selbstverwaltung insgesamt im Bewusstsein der Versicherten nur schwach verankert sei. Vielfach werde auch der Nutzen der sozialen Selbstverwaltung bezweifelt, da sie teilweise nur über geringe Kompetenzen verfüge. Er verstehe den Bericht (https://bundessozialwahlbeauftragter.de/storage/Schlussbericht_mit_Titel_2023_end.pdf) daher auch als Chance, frühzeitig eine Reihe von Vorschlägen zur Gestaltung der Zukunft der Sozialen Selbstverwaltung zu formulieren, um sie insgesamt zu stärken.
Als „Lichtblick“ bewertete Peter Weiß die erstmals durchgeführten Online-Wahlen bei fünf gesetzlichen Krankenkassen, die reibungslos verliefen und Vorbildcharakter für andere Wahlen haben könnte. Leider habe sich allerdings auch die digitale Wahlmöglichkeit nicht in dem Maße auf das Wahlergebnis ausgewirkt, wie es gewünscht war. Der Bericht macht klar: „Im Durchschnitt nutzten 6,56 Prozent der Wählenden die Online-Wahlmöglichkeit.“
Positiv hob Peter Weiß die erfolgreiche Umsetzung der Geschlechterquote hervor. „Nach den Sozialwahlen 2023 wird es keinen Zweig der Sozialversicherungsträger geben, in dem der durchschnittliche Frauenanteil in den Vertreterversammlungen oder in den Verwaltungsräten unter 40 Prozent liegt. Den größten Sprung nach vorn machte die Arbeitgeberseite der Innungskrankenkassen. Sie steigerte ihren Frauenanteil von 3,9 auf 43,8 Prozent. Das sind fast 40 Prozentpunkte“, heißt es in dem Bericht, der viele konkrete Zahlen für die einzelnen Gremien der Sozialversicherungsträger, aber auch den Anteil der Versichertenberater*innen beinhaltet. Die schlechte Wahlbeteiligung, die „traurigen Zahlen“ haben den Bundeswahlbeauftragten neue grundsätzliche Aufgaben beschert.
„Trotz guter Öffentlichkeitsarbeit, trotz toller politischer Unterstützung kam es nicht zu einer starken Wahlbeteiligung. Das bedeutet für uns eins: Es braucht eine grundlegende Reform der Selbstverwaltung und der Sozialwahlen, wenn sich die Menschen dafür interessieren sollen. Dieses Thema will ich in den nächsten Jahren aufgreifen,“ so Peter Weiß. Er und seine Stellvertreterin schlagen unter anderem vor, dieses Ziel über einen Verfassungsrang der Selbstverwaltung voranzutreiben, zumindest Diskussionen darüber zu beginnen, ob die Soziale Selbstverwaltung im Grundgesetzt verankert werden solle. Die Träger der Sozialversicherung „als Treuhänder ihrer Versicherten“ sollten sowohl auf der Ebene des einfachen Rechts wie auf der Ebene des Grundgesetzes „der Rücken gestärkt“ werden. „Sie müssen, soweit es um die Anliegen ihrer Mitglieder geht, mit eigenen Rechten ausgestattet werden, sodass sie in der Lage sind, sich im Interesse ihrer Mitglieder gegen Übergriffe anderer staatlicher Einrichtungen wirksam zur Wehr setzen zu können“, heißt es im Bericht. Zudem sollten die Kompetenzen der Selbstverwaltung gestärkt und die Öffentlichkeitsarbeit auch in den sozialen Medien verbessert werden. Konkret werden in dem Bericht 24 Vorschläge ausformuliert, die von Formularen über verpflichtende Websites bis hin zu den Arbeitsbedingungen von Selbstverwalter*innen reichen. Abgerundet wird der Bericht durch die konkreten Wahlergebnisse aller Sozialversicherungsträger.
Podiumsdiskussionen zur konkreten Arbeit der Selbstverwalter*innen
Nachdem Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg den Bericht entgegengenommen hatte, den er als „flotte Lektüre“ bezeichnete, setzte er sich mit drei engagierten Selbstverwalterinnen auf das Podium, um über die konkrete Arbeit der Selbstverwalterinnen zu sprechen. Die Arbeit von Frauen in einem in der Vergangenheit stark männerdominierten Ehrenamt stand im Mittelpunkt des Panels. Gabriele Axmann, Vorsitzende der Mitgliederversammlung der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und ehrenamtliche Selbstverwalterin auf der Arbeitgeberseite, Sylvi Krisch, Vorstandsvorsitzende der BARMER und Myriam Lauzi, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung Rheinland-Pfalz, machten mit ihren Beiträgen Lust auf dieses Ehrenamt. Moderiert von Tanja Samrotzki ging es um die Frage, wie das Ehrenamt für Frauen und Jüngere attraktiver gemacht werden kann. Um die Bedeutung der Sozialwahlen und das Wissen darüber, was eine Selbstverwalter*in überhaupt tut, zu erhöhen, sollten Erfolge der Gremien aus der jüngeren Vergangenheit herausgestellt und bekannt gemacht werden. Angesichts der Ergebnisse der Landtagswahlen in Ostdeutschland wurde auf diesem Panel für eine bessere Zusammenarbeit aller Beteiligten plädiert, um den politischen Akteuren, die die Mitbestimmung in den Sozialversicherungsträgern möglicherweise ganz abschaffen wollen, Einhalt zu gebieten. Insgesamt wüssten noch zu wenige, vor allem junge Menschen, dass die Selbstverwaltung ein wichtiger Ausdruck gelebter Demokratie sei.
Darin waren sich auch die nächsten Panelist*innen einig. Prof. Dr. Tanja Klenk, Professorin für Verwaltungswissenschaft an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, Rüdiger Herrmann, Geschäftsführer der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte BfA DRV-Gemeinschaft/Vorsitzender der Vertreterversammlung der DRV Bund, Alexander Gunkel, Hauptgeschäftsführer der BDA/Vorsitzender des Bundesvorstandes der DRV und Markus Hofmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik beim DGB-Bundesvorstand/Mitglied des Bundesvorstandes der DRV diskutierten mit Peter Weiß und Doris Barnett, stellvertretende Bundeswahlbeauftragte für die Sozialversicherungswahlen, über die anstehenden Aufgaben. Prinzipiell müsse möglichen zukünftigen Selbstverwalter*innen und den wählenden Bürger*innen besser vermittelt werden, dass die Selbstverwaltung ein Bereich ist, in dem Demokratie ganz praktisch mitgestaltet werden kann. Dazu brauche es mehr Wissensvermittlung (schon in der Schule), mehr Öffentlichkeitsarbeit, mehr Mut und mehr Einheitlichkeit. Aus dem Publikum kam der Vorschlag, nicht nur die Arbeitnehmer*innen, sondern alle Erwerbsfähigen zu beteiligen und vielleicht auch mal eine Influencer*in statt einen Werbespot zu bezahlen. In fünf Jahren, 2029, stehen die nächsten Wahlen an, bis dahin gibt es noch viel zu tun. Doris Barnett bedankte sich am Ende der Veranstaltung bei allen ehrenamtlichen Selbstverwalter*innen, die das „Gesicht“ dieser wichtigen Arbeit in der Sozialen Selbstverwaltung sind und freut sich auf viele Gespräche und einen Austausch über die notwendigen Veränderungen, die bis zur nächsten Wahl umgesetzt werden sollten.
13.06.23