Rente & Pflege: Wer pflegt, kann die eigene Rente erhöhen

21.03.2022

Eine gute Möglichkeit gerade für Frauen, ihr Alterseinkommen zu erhöhen

Rund 2,6 Mio. Menschen werden zuhause gepflegt, zumeist von Angehörigen, in aller Regel von Frauen. Für die Pflegeleistung von zu pflegenden Personen mit einem Pflegegrad 2 bis 5 zahlt die Pflegeversicherung unter bestimmten Bedingungen Beiträge auf das Rentenkonto der Pflegenden ein. Das gilt sowohl für Pflegende, die noch berufstätig sind, als auch für Pflegende, die schon Rente beziehen. Ein Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14.9.2021 macht dies noch attraktiver.

Wie das funktioniert und auf was zu achten ist, erläutern wir in dieser sopoaktuell

Pflege vor Rentenbeginn

Pflege vor Rentenbeginn wirkt sich für die Pflegeperson dann rentenerhöhend aus, wenn die Mindestpflegezeit, d. h. mindestens 10 Std./Woche (verteilt auf wenigstens zwei Tage) erfüllt wird. Auf die wöchentliche Mindestpflegezeit von 10 Stunden können Pflegende auch kommen, wenn sie zwei oder mehr Personen versorgen und den jeweiligen Betreuungsumfang zusammenzählen (die sogenannte Additionspflege). Dazu müssen die Pflegenden einen Fragebogen der Pflegeversicherung ausfüllen.

Die Pflegeleistung darf "nicht erwerbsmäßig" erfolgen. Das ist dann der Fall, wenn die/der Pflegende nicht voll, aber max. 30 Std./Woche
erwerbstätig ist. Kein Problem ist, wenn die gepflegte Person der/dem Pflegenden das Pflegegeld als Anerkennung der Leistung weitergibt. Bei Pflege durch Familienangehörige oder Verwandte, aber auch bei Nachbarn und engen Bekannten wird grundsätzlich unterstellt, dass die Pflege ehrenamtlich – also „nicht erwerbsmäßig“ – ausgeübt wird. Auch muss die Pflege im häuslichen Umfeld der Gepflegten erbracht werden.

Pflege bei Bezug einer vorgezogenen Rente

Wer seine Erwerbstätigkeit aufgibt, um z. B. einen Angehörigen zu pflegen und die eigene (volle) Rente vorzeitig in Anspruch nimmt, muss mit Abschlägen für den längeren Bezug der Rente durch die vorzeitige Inanspruchnahme rechnen. Diese Abschläge, 0,3 % pro Monat des vorzeitigen Bezugs, bleiben lebenslang erhalten. Dies ist grundsätzlich ab dem 63. Lebensjahr möglich.

Beispiel 1: Karl, geboren 1959, gibt seinen Job mit 63 Jahren auf, um seine Mutter zu pflegen Er beantragt die volle Altersrente für langjährig Versicherte (mindestens 35 Jahre rentenrechtliche Zeiten) und nimmt für den dadurch verlängerten Rentenbezug 11,4 % dauerhaften Abschlag in Kauf. Die Pflegekasse der Mutter zahlt je nach Pflegegrad und Art der Pflegeleistung Beiträge zu Karls Rentenversicherung. Seine Rente erhöht sich entsprechend (siehe Tabelle unten).

Wer die Erwerbstätigkeit reduziert, ohne vollständig aus dem Erwerbsleben auszuschei-
den
und zum Ausgleich des entfallenden Entgelts die eigene Rente zum Teil, also als Teilrente in Anspruch nimmt, muss auf zwei Dinge achten: Für den Teil der Rente, der vorzeitig in Anspruch genommen wird, muss ein Abschlag für den längeren Bezug der Rente hingenommen werden. Dazu kommt noch ein Abzug der Rente, wenn der Hinzuverdienst, also das Entgelt aus der eigenen Erwerbstätigkeit, gewisse Grenzen überschreitet. Diese Hinzuverdienstgrenze beträgt grundsätzlich jährlich 6.300 Euro.

ACHTUNG: Wegen der Corona-Krise ist diese Regelung nach 2021 auch in diesem Jahr 2022 außer Kraft gesetzt. In diesem Jahr gilt eine Hinzuverdienstgrenze von 46.060 Euro brutto. ver.di fordert von der Politik, diese Grenze als regelmäßige Hinzuverdienstgrenze festzuschreiben.

ACHTUNG: Eine Teilrente ist nicht zu verwechseln mit den Abschlägen bei vorzeitigen Renten, die für die längere Bezugsdauer erhoben werden.

Beispiel 2: Karla reduziert ihre Beschäftigung und arbeitet künftig in Teilzeit 50 %. Zum Ausgleich des entfallenden halben Entgelts von 1.000 Euro nimmt sie ihre Rente zu ¾, in Höhe von 900 Euro in Anspruch. Ihr Hinzuverdienst beträgt 12.000 Euro jährlich. Das ist in 2022 kein Problem, da die Hinzuverdienstgrenze in diesem Jahr 46.060 Euro beträgt. Sollte die Hinzuverdienstgrenze im nächsten Jahr wieder auf den Wert von 6.300 Euro zurückkehren, würde Karlas Rente gekürzt werden.

Da Karla ihre Renten ja auch vorzeitig, also vor dem regulären Rentenbeginn in Anspruch nimmt, muss sie auch noch Abschläge für den längeren Bezug hinnehmen.

Tipp: Hätte Karlas Arbeitgeber vor Jahren Zeitwertkonten eingerichtet und die Möglichkeit angeboten, z. B. ihre Überstunden darauf anzusparen, hätte Karla für die Pflege nicht ihre Rente anknabbern müssen, sondern hätte ihr Arbeitszeitguthaben abbauen können, was für Karla finanziell wesentlich attraktiver wäre.

Pflege bei Bezug der „regulären Rente“

Sobald Pflegende ihre reguläre Altersgrenze (65/67 je nach Geburtsjahr) erreichen, stellt die Pflegeversicherung die Beitragszahlungen ein. Damit dies nicht passiert und sich die Pflegeleistung rentensteigernd auswirkt, muss die Rente als Teilrente in Anspruch genommen werden. Dafür reicht es, wenn die Rente auf 99,99 % abgesenkt wird.

Bis vor Kurzem ging die Rentenversicherung von einer Teilrente von 99 % aus. Das Bayerische Landessozialgerichts hat mit Urteil vom 14.9.2021 (Az: L 6 R 199/19) nun auch eine Teilrente in Höhe von 99,99 % anerkannt und die Revision nicht zugelassen. Ob auch die anderen Landessozialgerichte und das Bundessozialgericht sich dem anschließen ist zu hoffen.

Auszug aus dem Urteil:
„Ein Anspruch auf Gewährung von Teilrente nach § 42 Abs. 2 SGB VI besteht jedenfalls bis zu einer Höhe von 99,99 % der Vollrente. Einer Bestimmung des prozentualen Anteils auf zwei Dezimalstellen genau stehen weder der Wortlaut des § 42 Abs. 2 noch sonstige Bestimmungen des SGB VI entgegen.“

Beispiel 3: Anna aus Nürnberg hatte ihre Rente von 1.000 Euro auf 99 % also auf 990 Euro reduziert. Jetzt kann sie ihre Rente auf 999, 90 Euro und verzichtet damit nur noch auf 0,10 Euro.

Wann kann ich in eine Teilrente wechseln? 

Der Wechsel von einer Vollrente in eine Teilrente ist jederzeit zum 1. eines Monats möglich. Wenn die Pflege beendet ist, z. B. weil die/der Gepflegte verstirbt, kann von der Teilrente jederzeit wieder in die Vollrente zurückgekehrt werden.

Wie hoch ist das Rentenplus aufgrund der Pflege?

Die Höhe der Beiträge, die die Pflegekasse an die Rentenversicherung leistet und die das Plus bei der Rente aufgrund der Pflege bestimmen, hängt im Wesentlichen von zwei Dingen ab: von der bezogenen Pflegeleistungsart und dem Pflegegrad der/des Pflegebedürftigen.

Da die Berechnung auf der jährlich grundsätzlich steigenden Bezugsgröße basiert, sind die Rentenbeiträge mit der allgemeinen Verdienstentwicklung verbunden, so dass auch die Rentenansprüche aus der Pflegetätigkeit regelmäßig angepasst werden.

Es kommt weiterhin darauf an, welche Art von Pflegeleistung, also ob Pflegegeld, eine Kombileistung oder Sachleistungen in Anspruch genommen wird. Die nachfolgende Tabelle zeigt, um wie viel sich die monatliche Rente pro Jahr der Pflege erhöht: 

 
Erhöhung der mtl. Rente durch Pflege

 

Beispiel 4: Anna aus Beispiel 3 pflegt ihren Mann, der im Pflegegrad 3 anerkannt ist und der Pflegegeld bezieht, für vier Jahre. Für diese Zeit erhöht sich ihre Rente um rund 60 Euro. Dafür verzichtet sie monatlich auf 10 Cent, insgesamt in vier Jahren also auf rund 5 Euro.

Wie und wann wird die Rente dann erhöht?

Wird die Pflege nach Erreichen des eigenen regulären Rentenalters ausgeübt, wird dieser Betrag immer zum 1. Juli des darauffolgenden Jahres der Rente hinzugerechnet. Für Pflege in 2022 wird die Rente also zum 1.7.2023 erhöht.

ACHTUNG: Wer eine Teilrente bezieht, muss damit rechnen, dass die eigene Betriebsrente gekürzt wird oder entfällt. Dies ist unlogisch und hemmt sowohl die Motivation, betrieblich für das Alter vorzusorgen wie auch Pflege zu übernehmen. Deshalb fordert ver.di die Politik auf, diese unsinnige Regelung in § 6 BetrAVG abzuschaffen.

Was muss ich tun, um die Leistungen für die Pflege zu erhalten?

Im Normalfall erfasst die Pflegekasse den Rentenbeitrags-Anspruch bei der Begutachtung des Pflegefalls und meldet diesen an die zuständigen Stellen (§ 44 SGB XI).

Pflegende können sich für die Zahlung von Rentenbeiträgen für ihre Pflegetätigkeit aber auch selbst an die Pflegekasse der/des Pflegebedürftigen wenden. Der „Fragebogen zur Zahlung der Beiträge zur sozialen Sicherung für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen“ steht im Internet zum Download bereit.

[21.3.2022]

 

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