Solidarität wirkt: ver.di setzt sich erfolgreich für von Abschiebung bedrohtes Mitglied ein

14.05.2024

Im Kontext der hohen Zustimmung für rechte Parteien beteiligen sich auch die demokratischen Parteien immer stärker an der sprachlichen Verrohung der Debatten rund um die Themen Flucht und Asyl. Ein Tiefpunkt war die öffentliche Äußerung des Bundeskanzlers Olaf Scholz, der im Herbst 2023 im Spiegel ankündigte, dass Deutschland härter und schneller abschieben müsse. Statt erfolgreiche Konzepte wie das Chancenaufenthaltsgesetz für langjährig geduldete Flüchtlinge auszuweiten, greift die Ampelkoalition die Forderungen von rechts auf und verleiht ihnen Legitimation.

Die angekündigte Abschiebeoffensive bedroht dabei auch zunehmend die Lebensperspektiven vieler ver.di-Mitglieder und Kolleg*innen in unseren Betrieben. In diesen Fällen ist Solidarität gefragt, wie sie seit vielen Jahren immer wieder von ver.di-Kolleg*innen in den Betrieben und darüber hinaus gelebt wird. 

 
Solidaritätsaktion: Odomero Godtime Otegu

Kollege wird in Abschiebehaft genommen

Gemeinsame Aktionen und Petitionen zum Stopp einer Abschiebung können durchaus erfolgreich sein, wie zuletzt der Kampf für das Bleiberecht des Kollegen Odomero Godtime Otegu und seinen Kolleg*innen bei der RUNTIME Packaging GmbH in Ingolstadt unter Beweis stellte.

Odomero kam bereits im November 2017 als politischer Verfolgter aus Nigeria und stellte einen Asylantrag, der jedoch abgelehnt wurde. Seit fast vier Jahren ist er ein gewerkschaftlich organisierter Beschäftigter bei der RUNTIME Packaging GmbH in Ingolstadt. Für seine Kolleg*innen im Betrieb ist er ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Teams, weshalb das Unverständnis umso größer war, als Odomero plötzlich abgeschoben werden sollte und kurz darauf in der Abschiebehaftanstalt in Eichstätt inhaftiert wurde. Denn im Koalitionsvertrag der bayerischen Landesregierung ist festgehalten, dass Abschiebungen von Personen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, ausgesetzt werden sollen, sofern sie einen festen Arbeitsplatz haben, sich integriert und nichts zu Schulden kommen lassen haben. Alles trifft auf Odomero zu.

Solidarität ist keine Worthülse

Die Betriebsratsvorsitzende Katja Hirschböck startete mit ihren Kolleg*innen eine Unterschriftenaktion im Betrieb, die von ver.di Bayern und dem bayerischen Flüchtlingsrat aufgegriffen und an den bayrischen Integrationsbeauftragten weitergeleitet wurde. Die Vorsitzende des Landesmigrationsausschuss, Charly Johnson, engagierte sich unermüdlich für den Kollegen, dessen Abschiebung kurz bevorstand. Das Referat Migrationspolitik auf der ver.di-Bundesebene richtete eine Online-Petition für das Bleiberecht des Kollegen auf der Plattform weact ein, die innerhalb von wenigen Tagen 2500 Menschen unterzeichneten.

Am Freitag, den 12. April 2024 konnte Odomero Godtime Otegu endlich aufatmen. Der starke Druck von ver.di und anderer Organisationen führte dazu, dass der bayrische Innenminister eine Einzelfallprüfung des Falls und die Freilassung unseres Kollegen anordnete. Odomeros Duldung und Beschäftigungserlaubnis wurden verlängert.

Für Ibrahim Yarasir, Betriebsrat bei der Deutschen Post in Augsburg und aktives Mitglied im ver.di- Bundesmigrationsausschuss sind solche Erfolge ein starkes Signal: „So zeigen wir unseren vielen Kolleg*innen mit unsicherem Aufenthaltsstatus, dass Solidarität bei uns aktiv gelebt wird und sie sich auf ver.di verlassen können – auch in schwierigen Situationen halten wir zusammen.“

Angst vor Abschiebung betrifft viele Mitglieder

Denn Odomeros Geschichte ist kein Einzelfall. Die Bundesregierung wirbt seit einigen Jahren in Nigeria um die verstärkte Rücknahme vermeintlich weniger wertvoller, da weniger ausgebildeter Arbeitnehmer*innen nach Nigeria, während sie zugleich im Land um Fachkräfte für die Bundesrepublik wirbt. So geraten Menschen, die einen wertvollen Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten, unter die Räder. (Mehr zur Migrationspolitik der Bundesrepublik in Nigeria kann man bei LabourNet Germany in diesem Text (Link) nachlesen) : 400 Menschen nach Nigeria "zurück geführt": „Wenn die EU die Fluchtursachen wirklich bekämpfen wollte, müsste sie zuerst Selbstmord begehen“ » LabourNet Germany)

Leider ist die Geschichte von Odomero und seinen Kolleg*innen alles andere als ein seltener Fall. Derzeit kämpfen Kolleg*innen der Verkehrsgesellschaft BSVG in Braunschweig gegen die Abschiebung ihres Kollegen Orkhan M. Der aus Georgien stammende Kollege soll abgeschoben werden, obwohl er bereits vor zwei Jahren eine Berufsausbildung erfolgreich absolviert hat und als zuverlässiger Kollege das öffentliche Nahverkehrsangebot in der Region Braunschweig mit am Laufen hält. Oder wie im Fall des Krankenpflegers Anwar Khan Safi ("Keine Klinik ohne Anwar") dessen Asylantrag 2017 abgelehnt wurde und der trotz seiner Tätigkeit an einer Augsburger Klinik abgeschoben werden sollte. Der Gewerkschaftsrat, das höchste Gremium von ver.di zwischen den Bundeskongressen, hat sich daher schon im Juni 2017 in einer Resolution klar dafür ausgesprochen, Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer zu stoppen.

Geplante Abschiebungen von Kolleg*innen sind immer wieder Anlässe, bei denen innerbetriebliche Solidarität tatsächlich gelebt werden kann. Die gemeinsame öffentliche Solidarisierung mit und Parteinahme für Kolleg*innen kann ihren Aufenthalt in Deutschland und ihre weitere Mitarbeit im Betrieb sichern, wo sie weiterhin dringend gebraucht werden. Da kommt es auf jede*n an!

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Bayern (GEW-Bayern) hat bereits einen hilfreichen Leitfaden mit Handlungsempfehlungen zum aktiven Vorgehen gegen Abschiebungen erstellt, der hier (gm (gew-bayern.de) heruntergeladen werden kann.