11.11.24
Zur Beurteilung der Quote von Leistungsminderungen (Sanktionspraxis) im
SGB-II-System muss man den Bestand der Leistungsberechtigten Personen kennen. In der SGB-II-Statistik werden nach dem Bestandskonzept leistungsberechtigte Personen mit Leistungsminderungen am Bestand gemessen.
Wenn man das macht, dann bekommt man die „Leistungsminderungsquote“ in Prozent.
Über viele Jahre, bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) im Jahr 2019 und der nachfolgenden Corona-Pandemie, wurden zehntausende Leistungsberechtigte teilweise über Monate und einige auch zu 100 Prozent sanktioniert.
Trotz dieser „harten“ Sanktionspraxis lag die Sanktionsquote aber immer nur zwischen 4 und 5 Prozent bezogen auf den Bestand.
Von den rund 5,2 Mio. Leistungsberechtigten der Grundsicherung für Arbeitssuchende des SGB II waren im Jahresdurchschnitt 2022 (aktuellere Zahlen liegen nicht vor) etwa 3,7 Mio. oder ca. 72 Prozent erwerbsfähig. Bei den weiteren 28 Prozent Leistungsempfänger*innen handelt es sich um nicht erwerbsfähige Angehörige, in der Regel sind dies Kinder bis 15 Jahren, die Anspruch auf Sozialgeld (ab 2023 Bürgergeld) haben.
Laut einer Statistik des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) waren in der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) im Jahr 2022 insgesamt 3.171.892 erwerbsfähige Leistungsberechtigte registriert.
Hiervon nicht Arbeitslose: 2.156.396 = 58,0 Prozent
Folgende Kriterien wurden gemäß den Vorgaben im SGB II festgestellt:
Als arbeitslos wurden 1.561.496 = 42,0 Prozent der Leistungsbeziehenden registriert.
Als arbeitslos (nach Maßgabe des SGB III und SGB II) zu bezeichnen sind tatsächlich nur ca. 30 Prozent der Leistungsberechtigten von ca. 5,2 Mio.
Die aktuell verfügbaren Zahlen zeigen, dass die Leistungsminderungsquote in den Jahren 2020 bis 2022 deutlich niedriger ist. Sie bewegt sich zwischen 1,2 bis 1,3 Prozent.
Bezogen auf die 5,2 Mio. Leistungsberechtigten kann man feststellen, dass eine sehr kleine Minderheit der Leistungsberechtigten sanktioniert wurde. Der Anteil der „Totalverweigerer“ liegt innerhalb des 1 Prozent Bereiches.
Mit diesem ca. 1 Prozent „Totalverweigerer“ plant die Ampel-Regierung nun, 150 Mio. Euro durch 100 Prozent Leistungsminderungen in der Haushaltskasse des Bundes einzusparen.
Um diese Einsparungen zu realisieren, muss man nach den Schätzungen von Tacheles ca. 150.000 bis 210.000 (!) Vollsanktionen pro Jahr verhängen.
Dies widerspricht total den bisherigen statistisch erfassten Zahlen. Selbst die Bundesagentur für Arbeit (BA) spricht in ihrer Begründung zum Gesetzesentwurf davon, „dass einige wenige Leistungsberechtigte von Bürgergeld zumutbare Arbeitsaufnahme beharrlich verweigern […] würden“.
Wird sich diese Regelung durchsetzen, wird das Urteil des BVerfG aus 2019 konterkariert und der Gesetzgeber einen Verfassungsbruch herbeiführen.
Hier wird mit „Luftbuchungen“ und populistisch eine Bevölkerungsgruppe bewusst diskriminiert und entwürdigt. Es wird mit Unwahrheiten (nicht arbeiten wollen, Faulenzer usw.) ein Generalverdacht erzeugt. Selbst die Verfassung wird zur Disposition gestellt (s. Interview von Jens Spahn in ZEIT ONLINE), um Wählern der AfD eine Alternative zu bieten.
Der ver.di-Bundeserwerbslosenausschuss (BEA) appelliert an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, den Gesetzesentwurf „Eines Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetzes“ dahin gehend zu ändern, dass die bisherigen Regelungen der Leistungsminderungspraxis beibehalten werden.
[29.1.2024]
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