Kein Wir ohne Uns!
„Trotz Corona: Viel bewegt und viel erreicht“, mit diesen Worten eröffnete Canan Yildirim, die ehrenamtliche Vorsitzende des ver.di-Bundesmigrationsausschusses (BMA), am 28. April 2023 die 4. Bundeskonferenz der Migrant*innen der Gewerkschaft. Ihre Begrüßung fand viel Beifall und Zustimmung bei den 45 Delegierten und 25 Gästen, die aus der ganzen Republik nach Berlin gereist waren. Anschließend entstanden neue Kontakte zwischen den Teilnehmenden, die bei einem quirligen Bingo-Spiel schnell viele persönliche Informationen von ihrem Gegenüber („Finde jemand der drei Staatsangehörigkeiten hat“) sammeln mussten und damit sofort untereinander ins Gespräch kamen.

Ataman spricht zur Reform des AGG
Mit einem Grußwort von Ferda Ataman, der Unabhängigen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung, wurde die Konferenz fortgesetzt. Sie betonte die wichtige Rolle der Gewerkschaften und der Betriebs- und Personalräte für die Schaffung einer diskriminierungsfreien Arbeitswelt. Die Interessensvertretungen seien der Garant für die Umsetzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) am Arbeitsplatz. Romin Khan, Referatsleiter für Migrationspolitik bei ver.di, kündigte an, dass die Gewerkschaft die Erwartungen an eine Reform des Gesetzes in einem eigenen Antrag zum Bundeskongress einbringen werde, in dem insbesondere die verbindliche Einrichtung betrieblicher Beschwerdestellen eingefordert werden soll. In der Diskussion betonten viele Kolleg*innen, dass sie eine enge Zusammenarbeit zwischen ver.di und der Antidiskriminierungsstelle des Bundes befürworten, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen. Ferda Ataman zeigte sich erfreut über die kritischen und solidarischen Rückmeldungen zu ihrer Arbeit und das starke Engagement der gewerkschaftlich Aktiven mit Migrationsgeschichte.

Kein wir ohne uns – Erfolge und Herausforderungen
Nach der formellen Konstituierung der Konferenz ergänzten die Kolleg*innen des Vorstands des Bundesmigrationsausschusses den schriftlichen Geschäftsbericht und stellten dabei besonders wichtige Ereignisse und Themen aus Sicht der Migrant*innen heraus. Dazu gehören die rassistischen und antisemitischen Anschläge von Hanau und Halle, die Bundestagswahl 2021 und die besondere Betroffenheit der Migrant*innen durch die Corona-Pandemie. BMA-Vorstandsmitglied Hilary Bown benannte auch die Unterrepräsentation von Menschen mit Migrationshintergrund innerhalb der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft als Herausforderung, die der BMA mit seinem Motto „Kein wir ohne uns“ (das nach innen und außen gerichtet ist) offensiv und erfolgreich angegangen ist.
Generationenwechsel im Bundesgremium der Migrant*innen
Anschließend verabschiedete Dagmar König, Mitglied des ver.di-Bundesvorstands, die anwesenden ausgeschiedenen BMA-Mitglieder der 3. Legislaturperiode mit einem herzlichen Dank für ihre geleistete Arbeit. Bei der Wahl zum neuen Bundesmigrationsausschuss, dem jeweils zwei Vertreter*innen der zehn Landesmigrationsausschüsse von ver.di angehören, wurde deutlich, dass nun in diesem Gremium zur Hälfte neue Kolleg*innen mitarbeiten werden und der Generationenwechsel und der Ausbau der Strukturen trotz der Schwierigkeiten durch die Pandemie erreicht wurde. Langjährig Aktive geben jüngeren Kolleg*innen die Chance, sich intensiver einzubringen und unterstützen sie bei Bedarf mit ihren Erfahrungen und ihrem Rat. So haben sich in den vergangenen Monaten neue aktive bezirkliche Migrationsausschüsse zum Beispiel bei ver.di in Hannover-Heide-Weser und in Köln-Bonn-Leverkusen gegründet.

Zusätzlich wählten die Delegierten ihre Vertreter*innen für den ver.di-Bundeskongress im September und den Gewerkschaftsrat.
Werneke will Forderungen der Aktiven an die Bundesregierung richten
Nach einer ausgelassenen Party mit der Berliner Clubikone DJ Ipek sprach der ver.di-Vorsitzende am nächsten Tag zu den Kolleg*innen . Frank Werneke versprach, sich gegenüber der Bundesregierung besonders für die geplanten Schritte zur Erleichterung der Einbürgerung und der Akzeptanz der doppelten Staatsangehörigkeit einzusetzen. „Hier werden wir nicht nachlassen, auch wenn das Gegenfeuer von Rechts größer wird“, erklärte Werneke. Der ver.di-Vorsitzende verknüpfte diese Forderungen mit dem gewerkschaftlichen Kerngeschäft, der Organisierung von Mitgliedern.
Frank Werneke (Vorsitzender ver.di)Ein unsicherer Aufenthaltsstatus macht Menschen erpressbar und schränkt ihre Möglichkeiten ein, sich gegen schlechte Arbeitsverhältnisse zu wehren und Gewerkschaftsmitglied zu werden.
„Denn ein unsicherer Aufenthaltsstatus macht Menschen erpressbar und schränkt ihre Möglichkeiten ein, sich gegen schlechte Arbeitsverhältnisse zu wehren und Gewerkschaftsmitglied zu werden. Doch das Aufenthaltsrecht darf kein Hebel sein, damit Amazon und Co willige und billige Arbeitskräfte erhalten. Und es kann nicht sein, dass Menschen, die seit Jahrzehnten hier leben und arbeiten von politischer Mitbestimmung ausgeschlossen werden. Das Wahlrecht für alle ist und bleibt eine wichtige Forderung von ver.di,“ ergänzte der ver.di-Vorsitzende.
Maßnahmen zeigen Wirkung: ver.di ist heute vielfältiger
Werneke dankte den Aktiven dafür, dass sie sich beharrlich dafür einsetzen, aus ver.di eine Einwanderungsgewerkschaft in der Einwanderungsgesellschaft zu formen. „Dazu gehört Vielfalt im Hauptamt. Dass wir den Anteil an Trainees mit Einwanderungsgeschichte gesteigert haben und dies nun auch durch die freiwillige Erfassung des Migrationshintergrunds nachweisen können, ist auch euer Verdienst“, betonte der Vorsitzende zum Abschluss seiner Rede.
Nach gemeinsamen Fotos mit dem Vorsitzenden stellte sich Rebecca Liebig, stellvertretende Landesleiterin des ver.di-Landesbezirks Rheinland-Pfalz-Saarland den Teilnehmenden vor und ging auf die politischen Schwerpunkte der Konferenz wie den Fachkräftemangel ein. Die Kollegin Liebig wird von der gewerkschaftlichen Findungskommission als Nachfolgerin im ver.di-Bundesvorstand für die aus Altersgründen ausscheidende Ressortleiterin Dagmar König vorgeschlagen.
Breite Themenpalette bei den Anträgen
Anschließend wurden 39 Anträge beraten, mit denen die Delegierten die migrations- und gesellschaftspolitische Beschlussfassung von ver.di mit beeinflussen, viele Anträge wurden daher an den ver.di-Bundeskongress im September weitergeleitet. Zentrale Forderungen waren unter anderem:
- Bekämpfung prekärer Arbeitsverhältnisse
- Arbeitszeitverkürzung
- Reform des AGG
- Sichere Aufenthalts- und Arbeitsrechte für einwandernde Fachkräfte
- Unterstützung und Organisierung der Gig-Worker
- Politische Teilhabe, doppelte Staatsangehörigkeit und Wahlrecht
- Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes
- Soziale Wohnungspolitik
- Mehrsprachige Beratung bei ver.di
- Organisierung migrantischer Frauen in der 24-Std-Betreuung
- Vielfalt in den ver.di-Strukturen
Zum Abschluss des zweiten Konferenztages konnten sich die Teilnehmenden bei den Kolleg*innen Klaudia Tietze (Gelbe Hand), Oliver Preuss (Projekt Connect - DGB Bildungswerk), Winnie Akeri (Fachstelle Faire Integration), Fabian Wagner (Faire Mobilität) Addissou Striegel und Daniel Hamilton (Deutschland Stiftung Integration) über die Arbeit dieser verschiedenen migrationspolitischen und gewerkschaftlichen Initiativen im Rahmen eines world cafes informieren und austauschen.
Dagmar König und Canan Yildirim beglückwünschten die Delegierten abschließend zur gelungenen 4. Bundeskonferenz der Migrant*innen. Sie dankten den zahlreichen ehren- und hauptamtlichen Kolleg*innen, die an der Vorbereitung und Durchführung der Bundesmigrationskonferenz beteiligt waren.
[9.5.2023]