Wie jedes Jahr ludt ver.di zum "Tag der Selbstverwaltung" ein. Dieses Jahr fand er am 17. Mai 2023 statt. Thema der Veranstaltung, die sich an Selbstverwalter*innen aus allen Sozialversicherungsträgern richtete, waren die Sozialversicherungswahlen und die kommenden Herausforderungen für die sozialen Sicherungssysteme. Dagmar König, Bundesvorstandsmitglied bei ver.di und dort zuständig für die Sozialwahlen und die Selbstverwalter*innen, begrüßte in ihren Einführungsworten die Teilnehmenden, die sich endlich wieder einmal persönlich begegnen und austauschen konnten.
Dass die Selbstverwalter*innen sich jetzt wieder austauschen können, neben den interessanten Vorträgen auch beim Mittagessen ins Gespräch kommen können, um sich gegenseitig in ganz praktischen Fragen zu beraten, dass begrüßte Dagmar König sehr, die dann das Wort an die „Hausherrin“ übergab, da der von ver.di organisierte Tag der Selbstverwaltung in den Räumen des Verbands der Ersatzkassen e. V. (vdek) in Berlin stattfand. Dieser Interessenvertretung der Ersatzkassen steht Ulrike Elsner vor. Die hauptamtliche Vorstandsvorsitzende bezeichnete es als große Ehre, den Tag der Selbstverwaltung mit ausrichten zu dürfen. Sie stieg in ihren Vortrag mit einem kurzen geschichtlichen Abriss über die Soziale Sicherung in Deutschland ein. Vor 111 Jahren, am 20. Mai 1922 wurde der vdek aus zehn Ersatzkassen gegründet.
Zuvor hatten sich aus den Freien Hilfskassen der Arbeiterschaft heraus die meisten der heute noch bestehenden Ersatzkassen gebildet. Parallel zu dieser Entwicklung entstand auch die Idee der Selbstverwaltung, um die demokratische Teilhabe zu stärken. Bis heute sei die Selbstverwaltung ein tragendes Prinzip der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland, betonte Elsner, die damit deutlich machte, dass die Gesundheitsversorgung in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Ländern, nicht ausschließlich durch den Staat sichergestellt wird, sondern die Versicherten selbst durch ihre in die Gremien gewählten Selbstverwalter*innen über wesentliche Belange der Krankenversicherung mitentscheiden.
Die ersten Sozialversicherungsträger nach dem Selbstverwaltungsprinzip wurden 1883 mit dem Gesetz über die Krankenversicherung der Arbeiter gegründet. Es folgten Unfall- und Rentenversicherung. „Auch heute ist ein auf Solidarität und Selbstverwaltung beruhendes soziales Sicherungssystem ein Garant für gesellschaftliche Stabilität“, betonte Elsner. Das habe sich besonders während der Pandemie gezeigt, in der die gesetzliche Krankenversicherung sehr „schnell und geräuscharm“ reagiert und funktioniert habe. Sie hätten Telefon-Hotlines mit Medizin-Experten eingeführt, die rund um die Uhr erreichbar gewesen seien, hätten das Kinderkrankengeld ausgezahlt und Maskengutscheine verteilt. Auch mit den gesetzlichen Schutzschirmen für Leistungserbringer*innen hätten die Ersatzkassen gezeigt „dass wir ein sehr leistungsfähiges und solidarisches Gesundheitswesen haben, über das wir glücklich sein können.“ Nicht ohne Stolz betonte Elsner auch, dass die Kassen ebenfalls bewiesen hätten, dass sie Massenverwaltung können.
Die Kraft der sozialen Sicherungssysteme würde aber zuweilen von der Politik zu wenig beachtet. Sie bürde den Versicherten und Arbeitgebenden immer mehr Kosten auf, beteilige die Selbstverwalter*innen aber zum Beispiel bei den Beratungen zur Krankenhausreform nicht. Mit dem Vorwurf, sie sei eine „intransparente Lobbyistengruppe“ sei der Selbstverwaltung ein Mitgestaltungsrecht verweigert worden. Das sei skandalös – und ein weiterer Beweis dafür, dass eine starke Selbstverwaltung auch als Gegengewicht zur Politik unabdingbar sei.
2023 kann bei den Ersatzkassen erstmalig auch online gewählt werden.
Ulrike Elsner wies darauf hin, dass auch die Modernisierung der Sozialwahlen ein politischer Erfolg sei, der vor allem von den Selbstverwalter*innen getragen werde. Eine der wichtigen Neuerungen: Erstmals werde es im Rahmen eines Modellprojektes in Deutschland eine Online-Wahlmöglichkeit bei den Sozialwahlen geben. Dabei stehe es jetzt den Mitgliedern von fünf Ersatzkassen frei, ob sie wie bisher per Brief oder online wählen wollten. Dafür haben die Techniker Krankenkasse (TK), die Barmer, die DAK-Gesundheit, die Kaufmännische Krankenkasse (KKH), die Handelskrankenkasse (hkk) und die Hanseatische Krankenkasse (HEK) bereits im Vorfeld der Sozialwahl ihre Satzung geändert und sich in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Insgesamt wären rund 22 Mio. Menschen in Deutschland berechtigt, erstmals von der digitalen Stimmabgabe Gebrauch zu machen. Trotz der hohen technischen Anforderungen habe bislang alles gut funktioniert, konnte Ulrike Elsner berichten.
Auch der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke bezog sich in einer Videobotschaft an die Selbstverwalter*innen auf die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bestehende lange Tradition der Sozialversicherungssysteme beruhend auf dem Grundsatz der Selbstverwaltung.
Seither bestimmten die Beitragszahlenden, die Versicherten und die Arbeitgeber mit, wofür die Beiträge ausgegeben werden. Die Selbstverwaltung sei für die Gesellschaft ein hohes Gut: „Wenn es sie nicht geben würde, müsste man sie erfinden.“ Werneke bedankte sich bei den Selbstverwalter*innen, denn sie repräsentierten ver.di und „übersetzten“ die Werte der Gewerkschaft in konkrete Arbeit deshalb so gut, weil sie „bestens mit den Erwartungen der Versicherten“ vertraut seien. Dies war die Kernaussage seiner direkt an die Selbstverwalter*innen gerichteten Videobotschaft.
Er bekräftigte, dass eine hohe Wahlbeteiligung und gute Wahlergebnisse bei den Sozialwahlen für ver.di sehr wichtig seien. Die Selbstverwalter*innen seien das Gesicht von ver.di und ein gutes Wahlergebnis nutze dem Wohle aller Versicherten: „Ihr wisst was gebraucht wird, weil ihr nah dran seid an den Problemen der Menschen.“
Er verwies auf das trägerübergreifende Wahlprogramm, dass die Werte und Grundlagen des Handelns von ver.di in der Sozialen Selbstverwaltung auf den Punkt bringt. Frank Werneke führte aus, in welchen Bereichen und bei welchen Problemen die Expertise der Selbstverwalter*innen hilfreich ist. Neben den sehr unterschiedlichen Aufgaben, die Selbstverwalter*innen in den einzelnen Gremien der Sozialversicherungsträger innehaben, beschrieb der ver.di-Vorsitzende auch den unermüdlichen Einsatz gegen die Versuche, die Rechte der Selbstverwalter*innen einzuschränken.
Uwe Klemens, seit mehr als zwanzig Jahren in der Selbstverwaltung seiner Krankenkasse engagiert, Verbandsvorsitzender des Verbandes der Ersatzkassen e. V., alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrates des Spitzenverband der GKV und ver.di-Mitglied, ist bekannt dafür, Versuche politischer Einflussnahme auf die Selbstverwaltung sehr genau im Blick zu haben. Im Moment sei er ziemlich „auf Krawall gebürstet“, sagte er zu Beginn seines Vortrags, „denn derzeit übernehmen die Krankenkassen viele Aufgaben, die eigentlich Sache des Staates wären.“
Am Tag der Selbstverwaltung referierte er ausführlich die „Aktuelle Finanzlage der GKV und Forderungen für eine nachhaltige Finanzierung.“ Es gäbe in der gesetzlichen Krankenkasse eine Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben, die zu einer Finanzierungslücke von rund 17 Milliarden Euro angewachsen ist. Das könne dazu führen, dass sich die Zusatzbeitragssätze nahezu verdoppeln müssten, um die Kassen auskömmlich zu finanzieren. Jetzt ginge es darum, die Belastungen fair auf mehrere Schultern zu verteilen. Nötig seien zusätzliche Steuermittel, damit nicht nur die Beitragszahlenden der GKV zur Kasse gebeten würden.
Die Gründe für die gestiegenen Ausgaben seien vielfältig. Die Ausgaben entwickelten sich seit Jahren dynamischer als die Einnahmen. Durch eine „teure Gesetzgebung in der letzten Legislaturperiode“ seien immense Ausgabensteigerungen entstanden. Zudem entfielen die Sonderbundeszuschüsse in Höhe von 14 Milliarden Euro und die Zuführung aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Außerdem seien die unzureichenden Beiträge für die Bürgergeld-Empfänger*innen ein großes Problem für die GKV. Klemens machte sich für einen Steuerzuschuss zum Gesundheitsfonds zur Kompensation pandemiebedingter Mehrausgaben als auch für den erhöhten Beitragssatz für Bürgergeld-Empfänger*innen stark. Hier gäbe es aktuell eine Unterdeckung von 10,5 Milliarden, legte Klemens dar. Die Gesundheitsvorsorge von Bürgergeld-Empfänger*innen sieht Klemens als eine gesamtgesellschaftliche Ausgabe, auch hier müsste der Staat entsprechende Steuergelder einsetzen, anstatt die Beitragszahlenden der gesetzlichen Krankenkassen einseitig zu belasten.
Als weitere Stabilisierungsmaßnahme schlägt er vor, den Mehrwertsteuersatz für Gesundheitsleistungen der GKV generell auf den ermäßigten Satz von sieben Prozent abzusenken. Allein diese Maßnahme könnte zu einer Entlastung von sechs bis sieben Milliarden Euro führen. Komme eine Dynamisierung des Steuerzuschusses hinzu, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, könnte die GKV ebenfalls deutlich entlastet werden. Eine unabhängige Patientenberatung solle laut Gesetz in Zukunft aus Beitragsmitteln der Krankenkassen finanziert werden – das Beratungsangebot stehe allerdings allen, also auch Privatversicherten, zu. Die Krankenkassen sollten dafür jährlich 15 Millionen Euro zahlen, ohne dass sie über die Selbstverwaltung an der Entscheidung über die Verwendung der Gelder beteiligt würden. „Das sind aber Gelder der Beitragszahlenden, keine Gelder des Bundesgesundheitsministeriums“, betonte Klemens. Auch dagegen macht sich Uwe Klemens als ehrenamtlicher Verbandsvorsitzender des vdeks stark, der in seinem Vortrag auch nicht an Kritik gegenüber Pharmariesen und Ärzteschaft sparte.
Auch in der gesetzlichen Rentenversicherung werden gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die demnach durch Steuern finanziert werden müssten, teilweise über die Beiträge der Versicherten getragen. Generell ist die Rentenversicherung aber mit ihrer aktuellen Finanzlage zufriedener als die gesetzliche Krankenkasse. Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund, rechnet in den nächsten Jahren mit stabilen Beitragssätzen und steigenden Renten. Die Bevölkerungsentwicklung sei „herausfordernd“, aber der Blick in die Vergangenheit zeige, dass es Ende der 90er-Jahre weitaus größere Probleme gab. „In dieser Zeit war der Beitragssatz schon höher als der jetzt für 2030 prognostizierte“, erläuterte Roßbach. In ihrem Vortrag erläuterte sie, dass laut Finanzschätzung der Rentenversicherung der Beitragssatz bis 2026 bei 18,6 Prozent liege und bis 2030 auf 20,2 Prozent steige.
Um das Rentenniveau langfristig zu sichern, seien derzeit einige Instrumente in der Diskussion. Vieles sei im Detail derzeit allerdings noch offen und in der Ampelkoalition strittig. Im Sommer wolle Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) das Rentenpaket II vorlegen. Umstritten sei vor allem das sogenannte Generationenkapital, das den Beitragssatzanstieg ab Mitte der 2030er Jahre abdämpfen soll. Nach den Berechnungen im Rentenversicherungsbericht 2022 bleibe der Beitragssatz von aktuell 18,6 Prozent bis zum Jahr 2026 zwar stabil, steige aber bis zum Jahr 2030 auf 20,2 Prozent und bis zum Ende des Vorausberechnungszeitraums im Jahr 2036 auf 21,3 Prozent an. Interessant werde also, wie die Finanzierung der Beitragssatzstabilisierung geregelt werden soll. Roßbach zeigte sich besorgt darüber, dass womöglich ein Teil des Rentenbeitrages für das Generationenkapital aufgewendet werden könnte. (Die FDP will 2 Prozentpunkte aus dem Beitrag der gesetzlichen Rentenversicherung in den Aufbau des Vorsorgevermögens für die Aktienrente umlenken). Das stehe allerdings noch nicht fest.
Klar sei nur, dass der für den Einstieg in die Kapitaldeckung notwendige Kapitalstock teilweise kreditfinanziert aufgebaut werden soll. Die Erträge dieses Kapitalstocks sollten ab Mitte der 2030er-Jahre einen Beitrag zur Stabilisierung der Beitragssatzentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung leisten. Mit zunächst 10 Milliarden Euro sollten Gewinne auf dem Kapitalmarkt erzielt werden („Aktienrente“). Um aber tatsächlicher Erleichterungen bei den Beiträgen zu bewirken, bräuchten solche Anlagen jedoch ein viel größeres Volumen, mahnte Roßbach. Zudem sei ein kapitalgedecktes Instrument immer auch mit Risiken verbunden.
Kurzer Einschub: Die ver.di-Position dazu ist eindeutig. Jegliche Umgestaltung der gesetzlichen Rentenversicherung, einen Teil des Beitragsaufkommens kapitalgedeckt anzulegen, um aus den Erträgen künftige Beitragssatzsteigerungen ganz oder teilweise abzufedern, lehnt ver.di vehement ab (siehe dazu sopoaktuell Nr. 344).
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bringt ein Prozentpunkt Beitragssatzerhöhung Mehreinnahmen von rund 17 Milliarden Euro. Selbst bei einer sehr optimistischen Renditeerwartung reicht der dafür bisher veranschlagte Betrag, der angelegt werden soll, bei Weitem nicht aus.
Roßbach betonte, dass der Renteneintritt der Babyboomer eine Herausforderung für das Rentensystem sei – aber kein beispielloser Anstieg der demografischen Belastung drohe. „Wir haben ähnliche Belastungsanstiege in der Vergangenheit bereits bewältigt“, sagte sie. Bislang konnten sie durch ein umlagefinanziertes Rentensystem aufgefangen werden. Ein wichtiger Schritt, um dem entgegenzuwirken, wäre es, alle Erwerbsfähigen zu versichern. Positiv wertete die Präsidentin der deutschen Rentenversicherung deshalb den Plan der Regierung in dieser Legislaturperiode, eine verpflichtende Altersvorsorge für jene Selbstständigen einzuführen, die nicht obligatorisch abgesichert sind.
Um den Problemen in der Rentenversicherung entgegenzuwirken sei es jedoch vor allem sinnvoll, das große vorhandene, aber ungenutzte Erwerbspotenzial weiter zu fördern. „Wie können wir Ältere erwerbstätig halten, weibliche Erwerbstätigkeit ausbauen und die Aufnahmebedingungen für Zugewanderte verbessern? Diese Fragen gelte es anzugehen.
Neben den aktuellen Zahlen und Gesetzesvorhaben sprach Roßbach auch über die Arbeit an der digitalen Rentenübersicht. Sie sei mit dem Ziel entwickelt worden, den Versicherten eine souveräne Altersvorsorgeplanung zu ermöglichen. Sie sei ab Sommer 2023 zugänglich und solle für einen besseren Überblick sorgen. Mehr Transparenz und eine erhöhte Kundenfreundlichkeit mahnten in der nachfolgenden, teilweise hitzig geführten Diskussion auch einige anwesende Versichertenberater*innen an, die Versicherten bei Anträgen beraten.
Endspurt Sozialwahlen 2023
Auch in der Pause wurde an vielen Tischen weiter diskutiert. Danach inspirierte der Bundeswahlbeauftragte für die Sozialwahlen, Peter Weiß, die anwesenden Selbstverwalter*innen mit einem mitreißenden Plädoyer zu einem fulminanten Endspurt kurz vor der Wahl. Bis zum 31. Mai 2023 konnten die Versicherten abstimmen. Gewählt werden ehrenamtliche Selbstverwalter*innen, die bei der Rentenversicherung, bei den Krankenkassen als auch bei den Unfallkassen und Berufsgenossenschaften die Interessen der Versicherten vertreten. Die Sozialversicherungen verwalteten sich selbst. Die oft unbekannte und unterschätzte Arbeit sei ein gutes Beispiel für Sozialpartnerschaft und gelebte Demokratie abseits parteipolitischen Engagements. Die großen Etats, etwa in der Renten- oder Krankenversicherung, sollten im Sinne der Versicherten verwaltet werden. Wer Beiträge einzahle oder eingezahlt habe, der solle auch mitbestimmen. Mit mehr als 51 Millionen Wahlberechtigten ist sie die drittgrößte Wahl in Deutschlands. Viele müssten also einen Umschlag mit Wahlunterlagen erhalten haben. Einige wüssten aber immer noch nicht, welche Gesichter sich hinter den Listen verbergen. Er sprach die anwesenden Selbstverwalter*innen direkt an. Sie, als Gesicht der Selbstverwaltung, wären jetzt im Endspurt gefragt, ihr Gesicht zu zeigen und für die Wahl zu werben.
„Es empfiehlt sich, die Wahl möglichst zügig vorzunehmen und den roten Briefumschlag umgehend in den nächsten Postbriefkasten zu werfen.“ Oder, das gelte aber eben nur für ein paar Krankenkassen, dieses Mal online wählen. „Online-Wählerinnen und Online-Wähler können theoretisch noch am 31. Mai um 23:59 Uhr abstimmen. Aber auch hier empfiehlt es sich, nicht bis zur letzten Minute zu warten“, sagte Peter Weiß.
Er bedankte sich für das Engagement und Fachkompetenz, der Selbstverwalter*innen: „Auch wenn das in der Öffentlichkeit oft nicht ausreichend gewürdigt wird, ist Eure Arbeit eine wichtige gesellschaftliche Tätigkeit. Unsere Sozialversicherungen sind deshalb so gut, weil sie eine funktionierende engagierte und kompetente Selbstverwaltung haben. Andere beneiden uns darum, dass uns unsere Sozialversicherungen gehören“, sagte Peter Weiß.
Je mehr Versicherte an den Sozialwahlen teilnähmen, desto größer sei auch die Legitimation und politische Kraft der gewählten Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter.
Mit den Neuerungen bei dieser Wahl könne gut geworben werden. Erstmals gebe eine Geschlechterquote vor, dass die zur Wahl stehenden Listen einen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent haben müssen. In den Selbstverwaltungsgremien von Renten- und Unfallversicherungsträgern sollten zukünftig möglichst mindestens 40 Prozent Frauen vertreten sein. Für die Krankenkassen gelte diese Vorgabe bereits verbindlich.
Die ungewöhnlichste Veränderung gebe es aber bei der Art der Stimmabgabe. Sei sie bisher ausschließlich per Briefwahl möglich gewesen, jetzt könne erstmalig in Deutschland bei einigen Ersatzkassen (TK, BARMER, DAK-Gesundheit, KKH und hkk) online gewählt werden. Peter Weiß berichtete, dass es bislang kaum zu Problemen gekommen sei, er habe „bislang von kaum einem Unfall gehört“. Die Wahl habe Modellcharakter und sei ein Modernisierungstreiber auch für andere Wahlen. Das hohe Interesse an diesem Modellversuch könne auch für die Öffentlichkeitsarbeit zum Ende der Wahlen genutzt werden. „Denn das seien zwei Innovationen, die anderen bislang noch nicht gelungen seien“, sagte Weiß nicht ohne Stolz.
Für den reibungslosen Ablauf und um die Sicherheit der Wahlen zu garantieren, habe das Team rund um die extra dafür gegründete Arbeitsgemeinschaft „ARGE - Modellprojekt Online-Wahlen 2023“ eng mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) kooperiert und mit der Firma zusammengearbeitet, die in Estland das digitale Wählen organisiert. Einer der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft, Jörg Ide, Leiter des Geschäftsbereichs Verwaltungsrat und Vorstand bei der Techniker Krankenkasse, war ebenfalls anwesend und berichtete von dem aufwendigen Verfahren vor und dem Evaluierungsverfahren nach den Wahlen. Zur Wahlbeteiligung konnte zwei Wochen vor Ende der Wahl selbstverständlich niemand der Anwesenden Auskünfte geben.
Nachdem es Peter Weiß oblag, die mit dem Sozialversicherungsmodernisierungsgesetz verabschiedeten konkreten Neuerungen bei den Sozialwahlen 2023 umzusetzen, will er sich danach weiter um die Förderung der Sozialwahlen kümmern. Damit die Bedeutung dieser Wahl den Versicherten noch deutlicher vor Augen stehe, freue er sich über einen regen Austausch mit den Selbstverwalter*innen:
„Ich freue mich auf Eure Anregungen. Denn bei den nächsten Wahlen möchten wir vor allem mehr junge Leute ansprechen. Eine Möglichkeit wäre, das Thema der Sozialwahlen und Selbstverwaltung auch in der politischen Bildung und in den Schulen zu verankern. Nach den Wahlen würde ich mich freuen, wenn wir gemeinsam Ideen sammeln, wie wir die Sozialwahl attraktiver machen.“
In ihren resümierenden Worten am Ende eines Tages voller informativer – und manchmal auch hitzig diskutierter – Beiträge bedankte sich Dagmar König bei allen Beteiligten – nicht ohne den Zuhörenden von dem außergewöhnlich großen Presseecho auf die Sozialwahlen 2023 zu berichten. Dass es so schwierig sei, junge Menschen für das Ehrenamt der Selbstverwaltung zu begeistern, liege auch an den Schwierigkeiten bei der konkreten Inanspruchnahme von Freistellungs- und Fortbildungsregelungen. Vielleicht müssten ältere und erfahrene Kolleg*innen aber auch „einen Schritt zurücktreten und Jüngere stärker an ihren Erfahrungen teilhaben lassen.“
ver.di habe im Vorfeld der Sozialwahlen gemeinsam mit ehrenamtlichen Selbstverwalter*innen auf allen Landesbezirks- und Bundesfachbereichskonferenzen mit einem Infostand und in den Sozialen Medien und auf allen Informationskanälen für die Wahlen geworben. Sie bat die Anwesenden, den Wahlaufruf und das ver.di-Wahlprogramm zu teilen und bis zuletzt nichts unversucht zu lassen, um jede und jeden an die Bedeutung dieser Wahlen zu erinnern. „Als Selbstverwalter*innen sollten wir uns unserer Macht bewusst sein, verantwortungsvoll und selbstbewusst unsere Aufgaben ausüben und unsere Möglichkeiten im Interesse der Versicherten ausschöpfen“, so Dagmar König.
[13.6.2023]