10.06.24
Der Rat der EU hat in einer beispiellosen Entscheidung am 4. März den Weg frei gemacht: Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine fliehen, erhalten in Ländern der EU ohne individuelles Asylverfahren eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, die in Deutschland erst mal für 24 Monate gilt. Bis zum 22. März wurden 229.000 geflüchtete Menschen in Deutschland offiziell registriert. Genauere Informationen zur Umsetzung der europäischen Beschlüsse in Deutschland durch das Bundesinnenministerium finden sich bei der GGUA Flüchtlingshilfe, der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e.V.: Hinweise des BMI zu § 24 (ggua.de)
Aktuell steht noch die Unterbringung und gute Versorgung der Geflüchteten im Vordergrund. ver.di fordert mehr Anstrengungen und eine bessere finanziellen Ausstattung der Kommunen und unbürokratische Lösungen für die Einstellung geflüchteter pädagogischer Fachkräfte aus der Ukraine, um diese Aufgabe zu bewältigen (Ukraine-Flüchtlinge: Kommunen sollen 1.000 Euro pro Geflüchtetem erhalten – ver.di (verdi.de)
Die übergroße Zahl der Geflüchteten, die jetzt in Deutschland ankommen, sind Mütter mit ihren Kindern. Für viele gehört zum Ankommen in Deutschland auch die Aussicht auf gute Arbeit. Doch wer auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen soll, braucht passende Wohnmöglichkeiten und eine verlässliche und gute Betreuung der Kinder in Schule und Kita. Hier muss die Politik prioritär helfen.
Für ver.di steht fest: Es braucht keine schnelle Vermittlung in prekäre Jobs, sondern einen Zugang zu Sprachkursen und eine geordnete Vermittlung über die Jobcenter, wenn sich die Menschen zurechtgefunden haben. Um Ausbeutung zu verhindern, haben die gewerkschaftsnahen Einrichtungen wie das Berliner Beratungszentrum für Migration und Gute Arbeit (BEMA) Informationen zu Arbeitsrechten in Deutschland auf Russisch und Ukrainisch übersetzt. Hier gibt es Flyer zum Arbeitsrecht für neuankommende Menschen aus der Ukraine | BEMA. Geflüchtete Frauen und Kinder müssen vor sexueller Gewalt und Zwangsprostitution geschützt werden, dazu die Flyer zu Hilfsangeboten und Beratung von proasyl: Flyer Ukraine UA (proasyl.de)
Viele der jetzt Ankommenden bringen gute berufliche Qualifikationen mit, die auch in Deutschland dringend gebraucht werden. Deshalb geht es jetzt darum, diese Qualifikationen zu erfassen und unbürokratisch anzuerkennen, damit die Menschen ihren Fähigkeiten entsprechende Beschäftigungsmöglichkeiten finden können. Bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen unterstützt etwa das IQ-Netzwerk (Aktuelles zur Anerkennung, Beratung und Qualifizierung von Geflüchteten aus der Ukraine - netzwerk-iq)
Trotz aller Verbesserungen in den letzten Jahren werden die Ukrainer*innen auf Hürden treffen, wenn sie in Deutschland bleiben wollen. Dazu zählt das Asylbewerberleistungsgesetz, aus dem die Geflüchteten in den ersten Monaten ihre Leistungen beziehen sollen. Am 7. April hat die Bund-Länder-Konferenz nun beschlossen, diese Regelungen bis Anfang Juni auslaufen zu lassen und die geflüchteten Menschen aus der Ukraine über die Sozialgesetzbücher II/XII (Hartz IV) zu versorgen.
Diese Entscheidung ist grundsätzlich zu begrüßen. Die finanzielle Unterstützung durch das Asylbewerberleistungsgesetz ist niedriger als in der regulären Sozialhilfe und garantiert kein menschenwürdiges Leben, zu dem auch eine ausreichende Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gehört. Dies ist verfassungsrechtlich höchst umstritten. In einem wegweisenden Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz 2012 stellten die Verfassungsrichter*innen fest, dass der Anspruch auf das aus der Menschenwürde abgeleitete Existenzminimum deutschen und ausländischen Staatsangehörigen gleichermaßen zusteht. Ein besonders relevantes Fazit aus dem Urteil ist: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“. Jede Form einer Ungleichbehandlung lehnt ver.di ab.
ver.di fordert seit 2015 die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und die Re-Integration der Leistungen in die Sozialhilfe – für alle Menschen, die nach Deutschland fliehen. Deshalb ist für uns klar: Alle Geflüchteten müssen gleich behandelt und unterstützt werden. Die Erfahrungen der letzten Jahre gilt es, jetzt zu nutzen.
Die aktuellen Diskussionen und verschiedene öffentliche Äußerungen erwecken allerdings den Eindruck, dass hinsichtlich des Schutzes von Menschen mit zweierlei Maß gemessen wird. Dem gilt es zu widersprechen, denn die Genfer Flüchtlingskonvention als Grundlage unserer Schutzregelungen unterscheidet nicht zwischen uns scheinbar kulturell näherstehenden oder angeblich ferneren Schutzsuchenden. Der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke brachte diese Haltung in einem Beitrag für ver.di NRW zu den anstehenden Landtagswahlen deutlich zum Ausdruck: „Wir wollen, dass niemand im Stich gelassen wird und sagen: Leave no one behind! Das gilt ebenso für die Geflüchteten, die in den Wäldern in Belarus festsitzen und nicht nach Polen einreisen dürfen. Unsere Solidarität ist unteilbar. Es gibt keine Geflüchteten erster und zweiter Klasse.“
[12.4.2022]
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