28.01.25
Die Rente entwickelt sich zu einem der zentralen Wahlkampfthemen – hochemotional, komplex und alle Altersklassen betreffend. Viele Themen treffen sich, wenn es um die Alterssicherung geht: Verteilungsgerechtigkeit, Generationengerechtigkeit, Leistungsgerechtigkeit und Angst vor Armut im Alter. Dabei wird die Rente oft zur Stimmungs- und Panikmache genutzt. Es ist an der Zeit, dem mit aktuellen Daten und Fakten entgegenzuwirken.
Der jährlich im November erscheinende Rentenversicherungsbericht (RV-Bericht 2024) analysiert die Finanzlage und Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung. Zeitgleich ist auch der einmal in jeder Legislatur vorzulegende Bericht Alterssicherung in Deutschland (ASID 2024) erschienen. Die ASID berichtet über die verschiedenen Alterssicherungssysteme, die Einkommenssituation heutiger Senior*innen, die Verbreitung der zusätzlichen Altersvorsorge und das zukünftige Versorgungsniveau. Anfang Januar 2025 wurde der 9. Altersbericht der Bundesregierung mit dem Titel „Alt werden in Deutschland“ veröffentlicht. Im Fokus steht die Verschiedenheit der Lebenssituationen älterer Menschen. Mitte Januar präsentieren der DGB, die Arbeitnehmerkammer Bremen und die Arbeitskammer des Saarlandes die zentralen Ergebnisse des SozialstaatsRadar 2025 mit grundlegenden Positionen zum Sozialstaat.
Viele neue und spannende Daten, deren bedeutendste Erkenntnisse wir hier vorstellen, um eine fundierte und sachliche Diskussion zu fördern.
Rentenniveau und Beiträge
Mit dem Rentenpaket II sollte das Rentenniveau vor Steuern bis 2040 auf 48 Prozent stabilisiert werden. Denn bereits zum 1.7.2024 musste erstmals die sogenannte Haltelinie greifen. Der aktuelle Rentenwert wurde entsprechend angehoben, sodass das Rentenniveau bei 48,0 Prozent liegt. Das Rentenpaket II wurde aufgrund des Bruchs der Koalition nicht mehr verabschiedet. Ohne Berücksichtigung des Rentenpakets II und weitere vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwürfe sinkt das Rentenniveau laut Vorausberechnungen des Rentenversicherungsberichts 2024 bis 2038 auf 45,2 Prozent (RVB, S. 10).
Laut RVB-Berechnungen bleibt der Beitragssatz ohne das Rentenpaket II bis 2027 bei 18,6 Prozent stabil und steigt anschließend auf 19,8 Prozent (2028) sowie 20,0 Prozent (2030) an. Zum Ende des Vorausberechnungszeitraums im Jahr 2038 soll er bei 21,4 Prozent liegen (RVB, S. 10). Abb. 1 veranschaulicht dies nach den Vorausberechnungen der Herbstschätzung des Schätzerkreises vom Oktober 2024 (geringfügige Abweichungen ergeben sich durch unterschiedliche Datenquellen).
ver.di-Position: Mehr statt weniger Geld – die Menschen sind bereit, höhere Beiträge für die bestehende soziale Sicherung zu leisten.
Um ein Absinken des Rentenniveaus zu verhindern, muss die nächste Bundesregierung das Rentenniveau zumindest bei 48 Prozent dauerhaft stabilisieren. Panikmache ist unbegründet – die soziale Sicherung ist finanzierbar.
Dies zeigen die Ergebnisse des aktuellen SozialstaatsRadar 2025 von DGB, AK Bremen und AK Saarland: „Eine klare Mehrheit der sozialversichert Beschäftigten (inklusive der Auszubildenden) ist durch alle Gruppen hinweg bereit, höhere Beiträge zu leisten, um sozialstaatliche Leistungen in den bestehenden Systemen mindestens zu erhalten. Hinsichtlich der Rente wären 63 Prozent zu etwas höheren Beiträgen bereit, wenn die Leistungen dadurch mindestens auf dem bisherigen Niveau bleiben, weitere 12 Prozent sogar zu deutlich höheren Beiträgen für bessere Leistungen.
Die Bereitschaft zu höheren Beiträgen gilt gerade auch für Jüngere. Trotz der Behauptungen, diese Gruppe werde von der Politik benachteiligt und habe sich innerlich vom Rentensystem verabschiedet, erklärten beispielsweise 23 Prozent der Arbeitnehmer*innen unter 30 Jahren, sogar zu deutlich höheren Rentenbeiträgen bereit zu sein. Das entspricht fast der doppelten Zahl aller Befragten. Von einem rentenpolitischen Generationenkonflikt oder einer „inneren Kündigung“ der jüngeren Generationen kann offensichtlich keine Rede sein.“ Das zeigt Abb. 2.
Steigerungen der gesetzlichen Rente
Nach den Berechnungen des RVB steigen bis zum Jahr 2038 die Renten um insgesamt rund 50 Prozent. Dies entspricht einer durchschnittlichen Steigerungsrate von rund 3,0 Prozent pro Jahr.
Die Einkommenssituation im Alter
Die Einkommenssituation im Alter (ab 65 Jahre) hängt von vielen Faktoren ab. Erhebliche Ungleichheiten zeigen sich zwischen Männern und Frauen, Ost und West, sowie bei Menschen mit/ohne Migrationshintergrund und mit/ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Die höchsten durchschnittlichen Alterseinkommen beziehen verheiratete westdeutsche Männer ohne Migrationsgeschichte und mit deutscher Staatsangehörigkeit; die niedrigsten durchschnittlichen Alterseinkommen beziehen alleinstehende Frauen mit Migrationsgeschichte und ohne deutsche Staatsangehörigkeit (9. Altersbericht).
Das durchschnittliche Nettoeinkommen von Personen ab 65 ist in Abb. 3 dargestellt.
Eine der Ursachen für die Unterschiede neben den Löhnen sind die Erwerbsjahre der Frauen. In diesem Bereich haben Frauen deutlich aufgeholt. Während 85-jährige und ältere Frauen in den alten Bundesländern (aBL) im Durchschnitt 27 Erwerbsjahre und Frauen gleichen Alters in den neuen Bundesländern (nBL) 38 Erwerbsjahre haben, liegt die Zahl bei den 65- bis unter 70-Jährigen jetzt bei 37 Jahren – in den nBL sogar bei 41 Jahren (ASID 2023, Abb. C.4.1). Bei den heutigen erwerbstätigen Frauen wird sich die Zahl weiter erhöhen.
Anteile der Alterssicherungsleistungen
Zu Beginn des Jahres 2023 bezogen 93 Prozent der in Deutschland lebenden 65-Jährigen und Älteren Leistungen aus Alterssicherungssystemen. Die Verteilung und die große Bedeutung der gesetzlichen Rentenversicherung zeigt die nachfolgende Abb. 4.
Besonders gravierend ist der Unterschied zwischen den alten und neuen Bundesländern, wie Abb. 5 zeigt.
Rentner*innen in den nBl sind viel stärker auf die gesetzliche Rentenversicherung angewiesen wie Personen in den aBl. Zudem ist die Betriebsrente von Frauen, wenn sie bezogen wird, ungefähr halb so hoch wie die der Männer. Außerdem ist die Betriebsrente von Frauen und Männern in den nBl nochmals halb so hoch wie die der Frauen und Männer in den aBL. Das zeigt Abb. 6 (Werte brutto): Auch wenn laut der Trägerbefragung BAV 2023 im Dezember 2023 insgesamt 20,875 Millionen aktive Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung (bAV) bestanden, zeigt sich in der bAV eine stagnierende Entwicklung.
ver.di Position: Die bAV ist eine wesentliche Komponente der Alterseinkünfte. Eine deutlich flächendeckendere Verbreitung einer überwiegend arbeitgeberfinanzierter bAV mit höheren Leistungen, insbesondere bei Frauen und in den neuen Bundesländern ist anzustreben.
Was erwarten die Menschen von einer guten Alterssicherung?
Im Bereich Alterssicherung hält die Bevölkerung im Durchschnitt (Median) eine Nettoersatzrate von 75 Prozent für die Renten (inklusive betrieblicher und privater Renten) für angemessen. „Konkret bedeutet dies, dass die Nettorenten drei Viertel des vorher erreichten Nettoeinkommens erreichen sollen (jeweils nach Abzug aller Beiträge und Steuern).“ Das ist eines der Ergebnisse des aktuellen SozialstaatsRadar 2025 von DGB, AK Bremen und AK Saarland. Es gilt eine große Versorgungslücke zu schließen, um den Erwartungen der Menschen gerecht zu werten. Das zeigt Abb. 7. Interessanterweise bleibt die erwartete Nettoersatzrate im Alter unter den verschiedenen Alters- und Wählergruppen weitgehend stabil – die Bevölkerung ist sich in dieser Frage weitgehend einig.
In der politischen Diskussion um die Positionen zur Bundestagswahl und ersten Überlegungen zu einem Koalitionsvertrag spielen vor allem Rentenstabilität, Beitragssatz, Altersarmut, ein längeres Arbeiten und die Einbeziehung weiterer Personengruppen in die soziale Alterssicherung ein wichtige Rolle.
Einen Überblick geben die Synopsen zu den arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Themen.
[alle Abbildungen und Grafiken siehe PDF-Dokument]
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