Für eine lebenslange Absicherung im Alter

12.08.2024

... und gegen zeitlich befristete Auszahlungsmodelle

In der aktuellen Debatte um die Altersversorgung in Deutschland wird immer öfter die mögliche Abschaffung der lebenslangen Rentenzahlung und deren Ersetzung durch zeitlich befristete Auszahlungsmodelle diskutiert. Was zunächst nur in der privaten Vorsorge vorgeschlagen wurde (siehe Abschlussbericht der von der Bundesregierung eingesetzten Fokusgruppe „private Altersvorsorge“), taucht nun auch im Umfeld der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) auf. Auch hier kursieren Vorschläge, Beiträge nicht als lebenslange Rente zu zahlen, sondern sie zu kapitalisieren. Argumentiert wird, dass zeitlich befristete Auszahlungen zunächst höhere jährliche Leistungen ermöglichen könnten.

Für ver.di ist klar: Alterssicherung muss immer die Absicherung des gesamten Lebens umfassen und Sozialversicherungsbeiträge dürfen nicht abgefunden werden.

Demografie und Lebenserwartung

Die deutsche Bevölkerung altert: Die Lebenserwartung steigt zwar langsamer, aber dennoch kontinuierlich an. Immer mehr Menschen erreichen ein hohes Alter, während die Geburtenrate relativ niedrig bleibt. Dies stellt das Rentensystem vor Herausforderungen, da eine wachsende Zahl von Rentner*innen gerade der Babyboomer-Generation auf eine schrumpfende Zahl von Beitragszahler*innen trifft.

Mit der "Wachstumsinitiative" der Ampel vom Juli 2024, einem Paket mit 49 Maßnahmen, die zum Wachstum der deutschen Wirtschaft beitragen sollen, werden auch Anreize zum längeren Verbleib im Erwerbsleben vorgeschlagen. Die Rente wird damit zum Teil kapitalisiert – zum einen durch die Auszahlungen der von den Arbeitgeber*innen zu zahlenden Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung, zum anderen durch die sogenannte Rentenaufschubprämie. 

 
Grafik Wie viele Neurentner würden den Auszahlungsplan überleben?

Was ist Alterssicherung?

Alterssicherung umfasst alle Maßnahmen und Systeme, die darauf abzielen, einen definierten Lebensstandard im Alter zu sichern und Altersarmut zu verhindern. Dazu zählen die gesetzliche Rente, die betriebliche Altersversorgung und die private Vorsorge.

Bedeutung einer lebenslangen Rente – die Unsicherheit der eigenen Lebenserwartung

Die lebenslange Rente spielt in der Alterssicherung eine entscheidende Rolle. Im Gegensatz zu zeitlich befristeten Auszahlungsplänen, die bspw. bis zu 85. Lebensjahr Zahlungen garantieren, stellt eine lebenslange Rente sicher, dass Rentenempfänger*innen bis zum Lebensende regelmäßige Zahlungen erhalten, unabhängig davon, wie lange sie leben.

Über die Hälfte der heutigen Rentner*innen wird 85 Jahre und älter werden. Das bedeutet, jede/r zweite Neurentner*in würde einen Auszahlungsplan überleben.

In der dargestellten Grafik der Deutschen Rentenversicherung sind die Überlebenswahrscheinlichkeiten von Männern und Frauen abgebildet. Ausgehend vom Renteneintrittsalter von 65 Jahren würden 60 von 100 Frauen sowie 43 von 100 Männern einen Auszahlungsplan bis zum 85. Lebensjahr überleben.

Viele Menschen unterschätzen, wie alt sie werden, und die Unsicherheit der eigenen Lebenserwartung macht die Planung für das Alter besonders schwierig.

Wer einen Auszahlungsplan wählen und diesen überleben würde, stünde dann ohne Einkommen im Alter da. Diese Einkommensverluste ab dem 85. Lebensjahr würden dann in ein Alter fallen, in dem häufiger zusätzliche Ausgaben für die Gesundheit und ggf. Pflege getragen werden müssen. Zudem lebt gut über die Hälfte in diesem Lebensabschnitt allein, was zu höheren Ausgaben pro Kopf führt. Auch solche zusätzlichen Ausgaben im Alter werden häufig unterschätzt. Die Armutsrisikoquote bei Über-80-Jährigen liegt deshalb bei 22 % (im Vergleich: 15 % bei der Gesamtbevölkerung).

Schutz vor Altersarmut

Gerade Frauen verfügen über geringere Rentenansprüche, da sie häufig in schlechter bezahlten Berufen arbeiten, in Teilzeit beschäftigt sind oder aufgrund von Kindererziehung und Pflege von Angehörigen längere Zeiten nicht erwerbstätig waren. Frauen leben im Durchschnitt länger als Männer und profitieren daher von der Absicherung des Langlebigkeitsrisikos. Eine verlässliche, lebenslange Rente ist daher auch für die Gleichstellung der Geschlechter entscheidend.

Die Rente: ein kollektiver Risikoausgleich

Kollektive Altersvorsorgesysteme verteilen Risiken auf eine große Gemeinschaft von Beitragszahler*innen. Dies ermöglicht es, auch diejenigen abzusichern, die ein sehr hohes Alter erreichen, ohne dass diese selbst hohe individuelle Rücklagen bilden müssen. Die kollektive Risikoverteilung ist damit auch eine faire Verteilung der Lasten. Eine Abschaffung der lebenslangen Rentenpflicht würde diesen kollektiven Schutzmechanismus untergraben und das Risiko individualisieren. Eine starke, lebenslange Rentenversicherung trägt also dazu bei, dass weniger Menschen im Alter auf Grundsicherung oder andere staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen sind. Wer lebenslange Ausgaben hat, braucht ein lebenslanges Einkommen.

Lebenslange Alterssicherung – ein Muss für eine gerechte Altersversorgung

Die Abschaffung der Pflicht zur lebenslangen Rentenzahlung würde nicht nur die finanzielle Sicherheit vieler Menschen im Alter gefährden, sondern auch die soziale Gerechtigkeit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt untergraben. In einer alternden Gesellschaft mit steigender Lebenserwartung ist es unerlässlich, eine lebenslange Alterssicherung als festen Bestandteil unserer Altersvorsorge zu erhalten. Eine solche Sicherung schützt den Einzelnen vor finanziellen Risiken, entlastet den Staat und fördert die Solidarität innerhalb der Gesellschaft. Eine nachhaltige und zukunftsfähige Rentenpolitik muss daher die lebenslange Rentenpflicht beibehalten und die Verlässlichkeit in Form eines planbaren regelmäßigen Einkommens stärken.

ver.di spricht sich daher deutlich gegen Rentenzahlungen aus, die nur bis zu einem bestimmten Alter reichen. Stattdessen ist es notwendig, die lebenslange Alterssicherung als gesellschaftliches Muss anzuerkennen und weiter zu festigen, um sicherzustellen, dass alle Menschen – unabhängig von Geschlecht, Einkommen oder Lebensdauer – in Würde und finanzieller Sicherheit alt werden können.

[Maria Öchsner]

 

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