Am 2. September 2024 folgten viele der ehrenamtlichen ver.di-Versichertenberater*innen und Versichertenältesten einer Einladung in die ver.di-Bundesverwaltung nach Berlin. Ziel der Tagung war es, den Austausch zwischen den Berater*innen und den Versicherungsträgern zu fördern und darüber ins Gespräch zu kommen, welche Art von Unterstützung sich die ehrenamtlichen Berater*innen von ihren Trägern wünschen. Die ehrenamtlichen Berater*innen sind das Bindeglied zwischen ratsuchenden Versicherten und der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie helfen z. B. bei der Klärung der Versicherungskonten, beraten über die Voraussetzungen der verschiedenen Rentenarten und nehmen Rentenanträge auf. Auf der Veranstaltung ging es auch darum, herauszufinden, was gut läuft und wo es möglicherweise Verbesserungspotential gibt. Selbstverständlich fand auch das Thema Rente insgesamt – als wichtigster Baustein in der Alterssicherung – seinen Platz. Aber es ging auch um tagesaktuelle politische Themen. Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am Tag zuvor waren ebenfalls Thema auf der Tagung. Der Rechtsruck in Deutschland bedrohe die sozialen Sicherungssysteme, denn das Ziel rechter Parteien ist u. a. die Einschränkung und Privatisierung sozialer Leistungen. Rebecca Liebig, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand und Ressortleiterin Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Innovation und Gute Arbeit betonte ausdrücklich, dass sich ver.di klar von rechten Einstellungen abgrenze und für eine demokratische und vielfältige Gesellschaft eintrete. Die Inklusion von Menschen mit Behinderung sei ein ebenso wichtiges Thema für die Gewerkschaft. Darüber hinaus setze sich ver.di für die Stärkung der Sozialsysteme sowie der Selbstverwaltung ein, weshalb ver.di die Pläne der Bundesregierung zum Generationenkapital auf Aktienbasis kritisch sehe. Auch die Einhaltung der Schuldenbremse sieht ver.di vor dem Hintergrund der Unterfinanzierung der öffentlichen Daseinsvorsorge skeptisch. Vielmehr müssten Reiche und Superreiche stärker an der Finanzierung beteiligt werden.
In diesem Zusammenhang wies Rebecca Liebig auch auf die Bedeutung der Sozialversicherungswahlen hin. Die Wahlbeteiligung habe bei den letzten Sozialwahlen (2023) einen neuen Tiefstand erreicht. Umso wichtiger sei es, auf die Bedeutung der Sozialwahlen und den wichtigen Einfluss der Selbstverwaltung hinzuweisen, damit die Menschen wissen, was sie mit ihrer Stimme bewirken können. Trotz der geringen Wahlbeteiligung sei positiv hervorzuheben, dass die Geschlechterverteilung bei der Stimmabgabe ausgeglichen war.
Frank Werneke (ver.di-Vorsitzender) betonte, dass die ver.di-Versichertenberater*innen und Versichertenältesten ein elementarer Bestandteil eines starken sozialen Sicherungssystems und eine Schnittstelle zwischen der Gewerkschaft, der Rentenversicherung und den Bürger*innen seien. Das ehrenamtliche Engagement für die soziale Sicherung der Gesellschaft sei Teil einer lebendigen Demokratie. Zudem gewährleisteten die Berater*innen eine breite regionale Aufstellung und erzeugten durch die persönliche Beratung menschliche Nähe, so Werneke weiter.
Nach den einführenden Worten berichteten drei Vertreter*innen aus den Selbstverwaltungsbüros der Deutschen Rentenversicherung (DRV) über die aktuelle Situation bei den jeweiligen Trägern. Nancy West (DRV Bund), Saskia Brumme (DRV Berlin-Brandenburg) und Carsten Keyser (DRV Knappschaft-Bahn-See). Auch sie würdigten das ehrenamtliche Engagement der Versichertenberater*innen und Versichertenältesten und betonten ihre Wichtigkeit zur Unterstützung der DRV.
Ein weiteres Thema war der Personalmangel, von dem die DRV ebenso betroffen ist wie andere Teile der Wirtschaft. Deutschlandweit sind 419 Beratungsplätze unbesetzt, wobei die personelle Lücke beim regionalen Träger Berlin-Brandenburg relativ gering ist, während die Träger in anderen Regionen stets auf der Suche nach neuen ehrenamtlichen Berater*innen sind. Dies gilt insbesondere für Bayern und Baden-Württemberg, wo der Personalmangel besonders groß ist. Auch die Geschlechter- und Altersverteilung ist nach wie vor unausgewogen, da vor allem Männer dieses Ehrenamt ausüben und das Durchschnittsalter bei ca. 62 Jahren liegt. Daher liegt es allen Beteiligten – den Trägern, ver.di und den Berater*innen – am Herzen für dieses wichtige Ehrenamt zu werben. Den sozialen Medien kommt dabei eine bedeutende Rolle bei der Werbung, um neue Berater*innen zu.
In engem Zusammenhang mit dem Personalmangel steht die Belastung der Versichertenberater*innen und Versichertenältesten, die bereits seit längerer Zeit enorm hoch ist, jedoch mit regionalen Unterschieden. Da die sogenannten Babyboomer in Rente gehen, steigt der Beratungsbedarf. Die Vertreter*innen der DRV-Träger sprechen daher von einer doppelten demografischen Herausforderung.
Ein weiteres – immer wiederkehrendes Thema – ist die Umstellung der Antragsaufnahme von der Papierform auf die elektronische Antragstellung (eAntrag) im Rahmen des E-Government-Gesetzes. Neben den regelmäßigen Einführungs- und Fortbildungsschulungen bieten die Rentenversicherungsträger den ehrenamtlichen Berater*innen im wiederkehrenden Rhythmus spezifische Seminare zum Thema eAntrag an.
Am Nachmittag hatten die Teilnehmer*innen dann Gelegenheit, sich in Arbeitsgruppen darüber auszutauschen, was in ihrer Beratungstätigkeit gut läuft, welche Verbesserungsvorschläge es gibt, aber auch, wo sich die Ehrenamtlichen mehr Unterstützung durch ver.di und/oder die DRV-Träger wünschen. Diese Punkte wurden anschließend in einer Podiumsdiskussion erörtert. Auf dem Podium saßen Nancy West (DRV Bund), Saskia Brumme (DRV Berlin-Brandenburg), Rebecca Liebig (ver.di-Bundesvorstand) und Carsten Keyser (DRV KBS). Die Moderation übernahm Katrin Willnecker (ver.di-Referentin für die Soziale Selbstverwaltung/Sozialwahlen).
Seitens der ver.di-Versichertenberater*innen und Versichertenältesten wurde die Erreichbarkeit der Sachbearbeiter*innen bei den DRV-Trägern bemängelt. Dieses Problem ist den Trägern bekannt, sodass derzeit an Lösungen gearbeitet wird. So hat die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Sonderrufnummer für Sachstandsanfragen eingeführt, um die Fachberatungen zu entlasten. Generell wird empfohlen, grundsätzliche Fragen per Mail zu stellen, um die Telefonleitungen möglichst für dringende Fälle freizuhalten. Betont wurde von den DRV-Vertreter*innen jedoch auch, dass sich die Versichertenberater*innen und Versichertenältesten bei Fragen oder Verbesserungsvorschlägen gerne an die Selbstverwaltungsbüros wenden können. Während der gesamten Tagung wurde deutlich, dass eine enge Kommunikation zwischen den Berater*innen und den Trägern der Deutschen Rentenversicherung sowie der ver.di für alle Beteiligten als sehr wichtig wahrgenommen wird. Die Tagung sollte daher auch der weiteren Vernetzung untereinander dienen.
Auch die Entschädigungsregelungen wurden diskutiert. Zwar wurden die Beiträge erhöht und die Abrechnung vereinfacht, was von allen Seiten begrüßt wurde, dennoch wurde von Seiten der Ehrenamtlichen eine höhere Entschädigung gefordert. Gefordert wurde auch eine Differenzierung der der Aufwandsentschädigung, da manche Anträge, wie zum Beispiel Anträge auf Erwerbsminderungsrente, deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als gewöhnliche Rentenanträge. Kritisiert wurde auch die unterschiedliche steuerliche Behandlung der Entschädigungen in den Bundesländern. So werden in einigen Bundesländern Steuerfreibeträge berücksichtigt, in anderen nicht. Die Deutsche Rentenversicherung stellte klar, dass mit der derzeitigen Regelung alle Ausgaben gedeckelt seien. Die anwesenden Berater*innen forderten daher ver.di auf, sich für eine angemessenere Entschädigung einzusetzen.
Ein weiteres Thema betraf die elektronische Ausstattung der Berater*innen, da es auch hier unterschiedliche Regelungen bei den Trägern gibt. Die Berater*innen wünschen sich, von ihrem jeweiligen Träger mit den notwendigen Endgeräten ausgestattet zu werden. Die Vertreter*innen der Träger machten jedoch deutlich, dass es bei mehreren Tausend Berater*innen nicht möglich sei, die dafür die notwendigen personellen Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.
Auch innerhalb der Deutschen-Rentenversicherung, die aus 16 Trägern besteht, wünschen sich die Ehrenamtlichen mehr Einheitlichkeit. Hier erklärten die DRV-Vertreter*innen , dass die Vereinheitlichung ein langfristiges Ziel sei, welches jedoch aufgrund der vorhandenen Strukturen nur in langsamen Schritten erreicht werden könne.
Ferner war die Erhöhung der Zahl der Hausbesuche, die insbesondere für die Versicherten auf dem Land von großer Bedeutung sind, ein diskussionswürdiges Thema zwischen den DRV-Vertreter*innen und den Ehrenamtlichen. Während die DRV-Vertreter*innen Hausbesuche aus Kostengründen nur dann vorsehen, wenn gesundheitliche Gründe der Versicherten dies erfordern, befürworten die meisten Ehrenamtlichen Hausbesuche, um auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität beraten zu können. Oder um fehlende Unterlagen schneller beibringen zu können, ohne einen weiteren Termin vereinbaren zu müssen. Grundsätzlich wurde von den ver.di- Versichertenberater*innen und Versichertenältesten der persönliche Kontakt zu den Versicherten positiv hervorgehoben. Die Ehrenamtlichen kennen die Bedürfnisse der Versicherten sehr gut und können daher gut auf diese eingehen. So empfinden sie ihre Arbeit als besonders sinnvoll. Insgesamt wurde während der gesamten Tagung immer wieder deutlich, wie wichtig die Ehrenamtlichen für das deutsche System der sozialen Sicherung sind. So freut sich ver.di insbesondere darüber, dass ein nicht unerheblicher Teil der Beratungsplätze mit ver.di-Mitlieder besetzt werden (gut 800).
Positive Rückmeldungen gab es im Hinblick auf die (verpflichtenden) Schulungen der DRV-Träger, die von den Berater*innen als hilfreich und unterstützend empfunden wurden. Insbesondere die Expertise der Referent*innen wurde dabei gelobt. Vor dem Hintergrund dieser regelmäßigen Schulungen kommt ein Großteil der Ehrenamtlichen zu dem Schluss, dass die Prozesse rund um die eAnträge sehr gut funktionieren. Allerdings wurde angemerkt, dass die Barrierefreiheit, insbesondere im Hinblick auf die Lesbarkeit der Folien z. B. für Sehbehinderte noch ausbaufähig sei. Die Träger-Vertreter*innen kündigten an, dass in Zukunft auch Modulschulungen für anspruchsvolle Gesprächssituationen angeboten werden sollen, um Wissen zum Umgang mit Menschen mit demokratiefeindlichen Äußerungen, Gewaltandrohungen oder psychisch belastenden Beratungsgesprächen zu vermitteln. Von Seiten der Ehrenamtlichen wird darüber hinaus gewünscht, dass ver.di das Angebot zum Austausch und zur politischen Information ausbaut.
-------------------------------------------------------
ver.di-Info-Angebot: Rund um die Rente - im Gespräch mit Dr. Judith Kerschbaumer
Online-Treffen des ver.di-Mitgliederservice
-------------------------------------------------------
Von allen Seiten begrüßt wurde, dass zukünftig eine einheitliche Checkliste bei allen Trägern bereitgestellt wird, die an die Versicherten weitergegeben werden kann. So wissen die Versicherten auf einen Blick, welche Unterlagen konkret für die Beratung benötigt werden. In diesem Zusammenhang traf die Idee der Wiedereinführung der Informationsabende für Bürger*innen ebenfalls auf Zustimmung.
Angeregt wurde außerdem, regelmäßige Treffen der Berater*innen in allen ver.di-Landesbezirken zu ermöglichen, da es diese bisher nicht überall gibt.
Abschließend bedankte sich Katrin Willnecker bei allen Anwesenden für die Teilnahme, die Diskussionsbeiträge und nicht zuletzt für die so wichtige Arbeit der ehrenamtlichen Versichertenberater*innen und Versichertenältesten, die die Gewerkschaft nach außen in die Gesellschaft hinein vertreten und stimmte der Anmerkung eines Versichertenberaters deutlich zu, der betonte, dass man die Senior*innen als Gewerkschaftsmitglieder nicht aus den Augen verlieren dürfe.
PDF | 615 kB
PDF | 293 kB
PDF | 123 kB