Welttag für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz

14.05.2024

ver.di-Studie zeigt: Hohe Arbeitsbelastung bei mangelndem Arbeitsschutz ist die Realität im Dienstleistungssektor

Um Beschäftigten ein sicheres und gesundes Arbeiten bis zum Renteneintritt zu ermöglichen, ist ein guter Arbeits- und Gesundheitsschutz unerlässlich. Daran soll der UNO-Welttag für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz erinnern, der jährlich am 28. April begangen wird. Aber genau dieser Schutz liegt für die Mehrheit der Beschäftigten im Dienstleistungssektor nicht vor. Das ist das Ergebnis einer Sonderauswertung des DGB-Index Gute Arbeit, den ver.di für den Dienstleistungsbereich veröffentlicht hat.

Arbeitsbelastung ist hoch

Die Studie zeigt, dass Mehrfachbelastungen im Dienstleistungssektor der Regelfall sind: 87 Prozent der Beschäftigten sind von mindestens zwei der vier untersuchten Belastungen betroffen. Die höchsten Werte für Doppelbelastung gibt es im Gesundheitswesen (95 Prozent) und im Bereich Erziehung und Unterricht (94 Prozent). Den niedrigsten Wert weisen mit 74 Prozent die Finanz- und Versicherungsdienstleistungen auf. Am stärksten belastet sind Beschäftigte durch Zeitdruck und Arbeitshetze gefolgt von Lärmbelästigung. Kein Wunder, wenn laut Studie nur 54 Prozent der befragten Beschäftigten damit rechnen, unter ihren derzeitigen Arbeitsbedingungen bis zum gesetzlichen Rentenalter durchhalten zu können. Mit Blick auf den bestehenden Arbeits- und Fachkräftemangel ist das eine Katastrophe.

Arbeits- und Gesundheitsschutz ist mangelhaft

Trotz der hohen Belastungen ist eine wirksame Gesundheitsprävention und ein effektiver Arbeitsschutz Mangelware, wie die ver.di-Auswertung zeigt. Demnach gaben nur 36 Prozent der Befragten an, trotz gesetzlicher Verpflichtung des Arbeitgebers eine Gefährdungsbeurteilung erhalten zu haben. Selbst in der öffentlichen Verwaltung wird bei weniger als 50 Prozent der Beschäftigten eine solche Beurteilung an ihrem Arbeitsplatz vorgenommen.

Dabei ist die Gefährdungsbeurteilung die Grundlage dafür, dass überhaupt erst passgenaue Präventionsmaßnahmen entwickelt werden können. Dafür muss sie aber vollständig durchgeführt werden, also auch psychische Faktoren berücksichtigen. Auch hier zeigen sich massive Mängel. Nur 44 Prozent derjenigen Beschäftigten, die eine Gefährdungsbeurteilung durchlaufen haben, sagen, dass bei ihnen auch Stressfaktoren abgefragt wurden. 

 
sopoaktuell Nr. 358 - Grafik

Mit Betriebs- und Personalrat läufts besser: Wo Interessenvertretungen im Betrieb vorhanden sind, erhalten mehr Beschäftigte eine Gefährdungsbeurteilung als in Betrieben ohne Interessenvertretung. Betriebs- und Personalratsgremien spielen eine wichtige Rolle im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Sie können die Mitbestimmung nutzen sowie von ihrem Initiativrecht Gebrauch machen und fehlende Arbeitsschutzmaßnahmen einfordern. Verantwortlich für die Einhaltung und Umsetzung der Rechtsvorschriften ist immer der Arbeitgeber.

Fazit: Im Dienstleistungssektor verstoßen die Arbeitgeber im großen Stil gegen das Arbeitsschutzgesetz. Wurden Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt, ist das zum großen Teil nicht vollständig und im Sinne des Gesetzes geschehen.

Qualitätsmangel bei Präventionsmaßnahmen

Nicht viel besser sieht es bei den Präventionsmaßnahmen aus. Sie sollen Gefahren und Gefährdungen eliminieren, bevor sie überhaupt erst Schaden anrichten können. Jedoch wurden nur für die Hälfte der betroffenen Beschäftigten im Dienstleistungssektor arbeitsorganisatorische Maßnahmen ergriffen, die auf Entlastung zielen (Verhältnisprävention). Auch verhaltensbezogene Präventionsangebote  (Verhaltensprävention) wurde nur einer Minderheit der Beschäftigten vom Arbeitgeber unterbreitet. Wurde etwas getan, kamen laut Befragte nur wenig effektive Mittel zum Einsatz.

Aber auch das zeigt die Studie: Werden die Beschäftigten an der Entwicklung von arbeitsorganisatorischen Präventionsmaßnahmen beteiligt, wird deren Wirkung positiver eingeschätzt. Arbeitsschutz kann nur funktionieren, wenn alle Akteur*innen – allen voran die Betroffenen selbst, also die Beschäftigten – beteiligt werden und kooperieren. Aus diesem Grund ist Beteiligung ein bedeutsamer Arbeitsschutz-Standard im Arbeits- und Gesundheitsschutz, der auf betrieblicher Ebene allerdings immer wieder eingefordert werden muss.

Schlechterer Schutz für Frauen

Frauen sind nicht nur stärker belastet als ihre männlichen Kollegen, sie bekommen an ihrem Arbeitsplatz auch weniger häufig eine Gefährdungsbeurteilung, so die Ergebnisse der Studie. Frauen im Dienstleistungssektor müssen häufiger unter Zeitdruck arbeiten und sind auch stärker körperlich harter Arbeit ausgesetzt. Frauen sind zu 20 Prozent „sehr häufig“ von schwerer Arbeit betroffen, bei Männern sind es nur 11 Prozent. Gefährdungsbeurteilungen gibt es für 42 Prozent der Männer, aber nur 32 Prozent der Frauen. Dies dürfte in hohem Maße mit der Berufsstruktur am Arbeitsmarkt zusammenhängen. Frauen arbeiten häufiger in Berufen mit tendenziell schlechteren Arbeitsbedingungen als Männer.

Fazit: Es gibt noch sehr viel zu tun in Sachen Arbeits- und Gesundheitsschutz. Deshalb ist es sinnvoll, nicht nur am UNO-Welttag die Wichtigkeit von gesunden und sicheren Arbeitsplätzen im Blick zu haben. Als Gewerkschafter*innen müssen wir aufklären, überzeugen und entschlossen für unsere Interessen als Arbeitnehmende einstehen. Unser Ziel: Sichere und gesunde Arbeitsplätze bis zur Rente.

Die Studie steht Online zur Verfügung und kann auch als Printversion bestellt werden:
innovation-gute-arbeit.verdi.de/veroeffentlichungen/arbeitsberichterstattung

 

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