BAK-Frühjahrstagung

Zweimal im Jahr trifft sich der ver.di-Bundesarbeitskreis Behindertenpolitik/Schwerbehindertenvertretungen (BAK) in Berlin. Dieses Mal fand die Arbeitstagung am 4. und 5. Mai 2022 im ver.di-Bildungs- und Begegnungszentrum Clara Sahlberg, direkt am Wannsee gelegen, statt. Der ideale Ort für ein Wiedersehen der ehrenamtlichen Schwerbehindertenvertretungen aus den ver.di-Fachbereichen und -Landesbezirken sowie der hauptamtlich für dieses Politikfeld verantwortlichen Kolleg*innen, die dem Bundesarbeitskreis angehören. Und die sich pandemiebedingt natürlich auch zwei Jahre lang nur digital zu Gesicht bekommen hatten.
Für Christine Hamacher war es die erste Tagung. Sie hat den Bereich Schwerbehindertenvertretungen, Teilhabepolitik und die Gruppe der Erwerbslosen in der ver.di-Bundesverwaltung übernommen. Die zuständige Gewerkschaftssekretärin betonte in ihren Begrüßungsworten, dass sie sich auf die Zusammenarbeit mit den Expert*innen aus der Schwerbehindertenvertretung freue und mit Ihnen gemeinsam ein wichtiges Themenfeld – die Teilhabepolitik – gestalten wolle.
Neben den Berichten aus den Bundesfachbereichen und Landesarbeitskreisen sowie organisatorischen und politischen Entscheidungen stand am ersten Tag der Veranstaltung ein Vortrag von Jürgen Dusel, dem Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Menschen mit Behinderungen, auf dem Programm. Der gelernte Jurist, selbst von Geburt an stark sehbehindert, sprach über „Arbeit 4.0: Chancen und Herausforderungen, die sich für Menschen mit Behinderungen ergeben.“ Er betonte, dass für ihn gute Politik für Menschen mit Behinderungen eine Querschnittsaufgabe sei, die alle Lebensbereiche betreffe. Er begreife seine Arbeit als ressortübergreifende Tätigkeit.
Demokratie und Inklusion sind zwei Seiten derselben Medaille
Teilhabe und Inklusion sollten allerdings nicht nur Menschen mit Beeinträchtigung angehen, so Dusel. Denn viel grundsätzlicher brauche Demokratie Inklusion. Gerade heute würde sich zeigen, was für ein Glück es sei, dass wir in einem freiheitlichen und demokratischen Land leben, dass sich der Vielfalt verpflichtet fühle. Er arbeite daran, dass sich alle Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben beteiligen können und sehe seine Aufgabe auch darin, den Staat an seine Pflicht zu erinnern, diese Teilhabe für die 13 Millionen Menschen mit Beeinträchtigungen in Deutschland zu gewährleisten.
Arbeit 4.0 für alle

Dazu gehöre auch eine umfassende Barrierefreiheit – analog und digital. Gerade die Digitalisierung böte für Menschen mit Beeinträchtigung neue Chancen, aber nur, wenn sie grundsätzlich und von Beginn an barrierefrei gestaltet sei. Hier sei vor allem die Expertise der Schwerbehindertenvertretungen gefragt, die beispielsweise bei der Implementierung neuer Software frühzeitig und tatsächlich mit eingebunden werden sollten. Dass viele auch sehr alltägliche Tätigkeiten oftmals noch sehr problematisch gestaltet seien und nicht barrierefrei funktionieren, könne jeder nachvollziehen, der zum Beispiel einmal mit geschlossenen Augen versucht habe, Geld abzuheben. Es brauche grundsätzlich ein größeres Bewusstsein für Barrieren. Auch in vielen Berufsausbildungen – bei Architekt*innen, Lehrer*innen und Informatiker*innen gleichermaßen – müsse diese Sensibilität angelegt werden. Dafür, aber auch für die Stärkung der Schwerbehindertenvertretung, werde er sich auch weiterhin einsetzen, so Dusel.
Grundsätzlich liege ihm eine bessere Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigung am Arbeitsmarkt besonders am Herzen. Bislang arbeiteten 1,3 Mio. Menschen mit Beeinträchtigungen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Er gehe davon aus, dass grundsätzlich alle Arbeitsplätze für Menschen mit Beeinträchtigung geeignet seien, wenn die Rahmenbedingungen stimmten. Es brauche deswegen vermehrt Anstrengungen auf dem Arbeitsmarkt, damit Menschen mit Behinderungen, die oftmals hoch motiviert und qualifiziert seien, endlich die Chancen erhalten, die sie bräuchten. Dafür fordert Dusel aber auch die Unterstützung aus der Gesellschaft – etwa von den Gewerkschaften und den Schwerbehindertenvertreter*innen ein.
Null Akzeptanz für „Nullbeschäftiger“
Für Unternehmen, die keinen einzigen Menschen mit Schwerbehinderung einstellen, fordert Jürgen Dusel, dass nun endlich die Ausgleichsabgabe erhöht und eine vierte Stufe eingeführt werde. Zahlen müssen dann Unternehmen, die im Jahresschnitt mindestens 20 Arbeitsplätze pro Monat haben und weniger als fünf Prozent Schwerbehinderte beschäftigen. Im Moment entziehen sich ein Viertel der Unternehmen dieser Verpflichtung.
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Impressionen
Auch bei der Suche nach Fachkräften sollten die Potenziale in der Gruppe der Menschen mit Beeinträchtigungen endlich gesehen werden. Die Statistiken der Agentur für Arbeit von 2020 zeigen (BA-Statistik "Arbeitsmarktsituation schwerbehinderter Menschen), dass arbeitslose Menschen mit Schwerbehinderung gut qualifiziert sind: Anteilig finden sich bei schwerbehinderten Arbeitslosen etwas mehr Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung als bei nicht-schwerbehinderten Arbeitslosen.
Inklusion braucht Verbündete
Jürgen Dusel stellte sich nach seinem Vortrag, der den Anwesenden aus dem Herzen sprach und sich zu großen Teilen mit den Forderungen des BAKs deckte, den Fragen und Anmerkungen der Schwerbehindertenvertreter*innen. Er nahm einige auch kritische Anmerkungen und Anregungen aus dem Kreis mit. Einig waren sich alle Beteiligten darin, dass Inklusion Verbündete braucht: nur gemeinsam und über das stetige Wiederholen der Forderungen könne man sich dem Ziel gleicher Rechte für alle und mehr Öffentlichkeit für die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen nähern. Denn dies sei – auch darüber herrschte Einigkeit – eine der zentralen Fragen unserer Gesellschaft.
Am Nachmittag stand die Vorbereitung der Herbsttagung des BAKs an. In Arbeitsgruppen wurden inhaltliche Schwerpunkte für das nächste Treffen erarbeitet. Im Oktober wird der Vorstand dann Referent*innen zu den Themenkomplexen „Arbeit 4.0 für Schwerbehindertenvertretungen“ sowie „Arbeit 4.0 für Menschen mit Behinderungen“ einladen. Eingehender soll sich dann beispielsweise mit Fragen des Arbeits-, Gesundheits- und Datenschutz, der digitalen Barrierefreiheit, der Weiterbildung, Qualifizierung sowie Umschulung oder auch der Auswirkungen von Arbeit 4.0 auf Beschäftigte mit unterschiedlicher Qualifikation beschäftigt werden.
Kampagne zur SBV-Wahl
Der zweite Tag der Tagung stand dann im Weiteren ganz im Zeichen der ebenfalls im Herbst stattfindenden Wahlen zur Schwerbehindertenvertretung (SBV). In den Betrieben und Dienststellen werden vom 1. Oktober bis zum 30. November 2022 die SBV-Wahlen stattfinden. Oliver Moses, bei ver.di für die Wahl zuständig, referierte kurz den Stand der Vorbereitungen. Neben den ersten Versendungen von Werbematerialien an alle Bezirke und Bildungsstätten ist die aktualisierte Homepage von ver.di eine gute Adresse für weitere Materialien und Informationen. Hier sind alle wichtigen Hinweise über den Ablauf der Wahl zusammengefasst. Man findet dort auch Mailsignaturen, Formulare, Präsentationen sowie zwei kurze Filme über die Aufgaben von Schwerbehindertenvertretungen und die Wahlen.
ver.di hat zudem einen kompakten Kurzleitfaden für die Wahlvorstände erstellt, der ebenfalls alle wichtigen Fragen beantwortet. Flankiert wird die Kampagne von Seminaren, die ver.di Bildung und Beratung anbietet. Katharina Bünnemann, Bildungsreferentin und zuständig für den Bereich SBV informierte – digital dazu geschaltet – über die Seminare zu den Wahlen.
Einer erfolgreichen Wahl dürfte somit nichts mehr im Wege stehen. Wer Interesse hat, die interessante und selbstverantwortete Aufgabe als Vertrauensperson der schwerbehinderten und gleichgestellten Kolleg*innen zu übernehmen, kann für die Schwerbehindertenvertretung kandidieren. Eine wichtige Aufgabe, denn gerade die Vertrauenspersonen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt. Das zeigt auch jede Tagung des ver.di-Bundesarbeitskreises Behindertenpolitik/Schwerbehindertenvertretungen.
[10.5.2022]